Die Schattenplage
reiben, aber sie wusste, dass sie eine Belastung gewesen war. »Ich kann nicht glauben, dass Tammy fort ist«, murmelte sie.
»Ich hoffe, du machst dir deswegen keine Vorwürfe«, erwiderte Gavin. »Es geschah alles viel zu schnell, als dass irgendjemand sie hätte retten können. Wir wussten nicht, was sie vorhatten, bis der Habichttyp sie hinuntergeschleudert hat.« Er schüttelte den Kopf. »Sie wollten uns definitiv von ihrer Mesa runter haben. Wir sind in die falsche Party hineingeplatzt.«
Um den Verlust weniger schmerzlich zu machen, hoffte Kendra plötzlich, dass Tammy insgeheim für die Gesellschaft des Abendsterns gearbeitet hatte.
Sie warteten ohne ein weiteres Wort und lauschten auf den Wind, der draußen zwischen den Ruinen heulte. Das Unwetter tobte heftiger denn je, als unternehme es eine letzte Anstrengung, sie vom Plateau zu fegen.
Irgendjemand kam durch die Tür, und Kendra riss die Taschenlampe herum. Sie hatte Neil erwartet, doch stattdessen stand der Kojotenmann auf der Schwelle. Eine böse Schnittwunde zog sich quer über das nasse, verfilzte Fell auf seiner Brust. Kendra schnappte nach Luft und hätte beinahe die Taschenlampe fallen gelassen.
Der Eindringling schüttelte seinen Stab, und trotz des heulenden Windes konnte Kendra das Klappern hören. Dann sprach der Kojote mit menschlicher Stimme, gab aber einen seltsamen, verzerrten Singsang von sich.
»I-I-Irgendwas davon verstanden?«, fragte Gavin leise.
»Nein.«
Der Kojotenmann trat ein und knurrte. Gavin stellte sich schützend vor Kendra und rückte ihm mit seinem Speer zuleibe. Kendra hätte am liebsten weggesehen, aber stattdessen umklammerte sie die Taschenlampe wie einen Rettungsanker und drehte sie so, dass sie dem Kojotenmann direkt in die Augen schien. Er wandte den Kopf zur Seite, um dem grellen Licht auszuweichen, aber sie hielt den Strahl weiter auf ihn gerichtet, und Gavin stieß mit dem Speer nach ihm. Stück für Stück drängte er den Angreifer zurück, bis der Kojotenmann mit einem plötzlichen Griff den Speer direkt unterhalb der Spitze packte und Gavin zu sich heranriss. Statt Widerstand zu leisten, sprang Gavin vor und trat ihm mit dem Fuß in die Brustwunde. Heulend vor Schmerz taumelte der Kojotenmann zurück, ließ den Speer los und warf seinen Stab weg. Gavin griff weiter an und trieb seinen Feind mit Stichen der Speerspitze aus der Ruine.
Keuchend kam Gavin von der Türöffnung zurück. »Wenn er wiederkommt, werde ich dir ein Souvenir machen – Kojote am Spieß.«
»Er hat bereits ein Souvenir dagelassen«, sagte Kendra.
»Bedeutet das, dass du es für dich beanspruchst?«, versetzte Gavin und bückte sich, um den Stab mit den Rasseln aufzuheben. Er schüttelte ihn sanft. »Er ist gewiss magisch.« Dann warf er ihn Kendra zu.
»Wird der Kojotenmann Jagd auf mich machen, um ihn sich wiederzuholen?«, fragte Kendra ängstlich.
»Falls er dich jemals aufspüren sollte, gib ihm einfach den Stab zurück. Aber ich würde mir deshalb keine allzu großen Sorgen machen. Da das Reservat diese Mesa umringt, schätze ich, sitzt der Kojote hier fest.«
»Was ist, wenn er heute Nacht kommt, um ihn sich zurückzuholen?«
»Kojote am Spieß, hab ich dir doch schon gesagt«, feixte Gavin.
Kendra schüttelte den Stock etwas fester und lauschte auf das Klappern der Rasseln. Draußen schwoll der Wind an, Blitze zuckten über den Himmel, und Donner grollte und übertönte das Klappern. Kendra schüttelte den Stock weiter und versuchte, die Rasseln über den heulenden Wind draußen zu hören. Der Wind kreischte noch lauter. Hagel begann auf das Dach zu trommeln und durch den undichten Teil einzudringen. Eiskügelchen schossen über den Boden.
»Ich wäre vorsichtig damit, wie ich ihn schüttle«, riet Gavin ihr.
Kendra hörte auf und hielt die Rasseln still – binnen weniger Sekunden hörte es auf zu hageln, und der Wind wehte nicht mehr ganz so heftig. »Dieser Stab kontrolliert den Sturm!«, rief sie aus.
»Zumindest beeinflusst er ihn«, meinte Gavin.
Kendra betrachtete den Stab voller Staunen. Dann hielt sie ihn Gavin hin. »Du hast ihn dir verdient, du solltest ihn behalten.«
»N-N-Nein«, widersprach Gavin. »Er ist dein Souvenir.«
Kendra hielt den Stab jetzt ganz still, und während der nächsten Minuten flaute der Sturm immer stärker ab. Der Wind wehte nicht mehr so heftig, und von dem Regen blieb nur noch ein Nieseln übrig. »Denkst du, es geht den anderen gut?«, fragte sie.
»Ich hoffe es. Dougan
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