Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
aussehen.«
»Nein, tun sie nicht. Habe ich etwas Böses getan?«
Das Mädchen funkelte sie wütend an. »Du hast uns belogen. Ich habe an dich geglaubt. Ich kann nicht fassen, dass ich je wie du sein wollte! Ja, du bist böse!«
Bishop konnte nicht länger ruhig bleiben, nicht, wenn Marika so offensichtlich litt. »Du hast versucht, sie umzubringen. Für mich macht das
dich
zum Bösen, Kleines!«
Das Mädchen spuckte ihm auf die Schuhe. »Sie sind ja nicht einmal menschlich!«
»Wenn ich dich ansehe, kann ich darüber so unfroh nicht sein.«
»Woher wusstest du, wo wir sind?«, fragte Marika. Sie war blass, verbarg ihren Schmerz jedoch gut.
Roxana sah sie verächtlich an. »Ich wusste, dass du irgendwann zu deiner Großmutter gehen würdest. Und die Verräterin hilft dir auch noch!«
Marika bewegte sich mit einer Schnelligkeit, die Bishop erstaunte. Sie packte das Kinn des Mädchens und hielt es so fest, dass Roxana ihr ins Gesicht sehen musste.
»Ich habe dich stets wie eine jüngere Schwester behandelt«, sagte sie so leise, dass es gefährlich klang und Bishop eiskalt über den Rücken lief. »Aber solltest du meiner Großmutter etwas tun, werde ich dich dafür bezahlen lassen!«
Fast wollte Bishop jubeln. Seine Jägerin war zurück!
»Du kannst mir nicht weh tun«, erwiderte das Mädchen keck. »Ich habe keine Angst vor dem Tod.«
»Ich sagte auch nicht, dass ich
dir
weh tun würde.«
Es war die finsterste Drohung, die er je aus Marikas Mund vernommen hatte, und er wusste, dass sie es ernst meinte. Das Mädchen ebenfalls, denn nun war nichts als Angst in seinen dunklen Augen.
Marika ließ sie los und trat zurück. »Jetzt verschwinde von hier und komm nie wieder zurück!« Sie nickte Bishop zu, Roxana gehen zu lassen. Er hielt es für keine gute Idee, aber es war ihre Entscheidung, nicht seine.
Kaum war Roxana frei, rannte sie, ohne zu zögern, Richtung Gartenpforte. Bishop wartete, bis er sicher war,dass das Mädchen fort war, dann hob er Marika in seine Arme.
»Kannst du so mit mir fliegen?«, fragte sie und lehnte sich an seine Schulter.
»Ja.« Das Tuch um ihre Wunde war blutdurchtränkt. Er musste sie wegbringen, ehe sie eine Duftspur hinterließen, der andere Vampire folgen könnten. Sicherheitshalber riss er sich den Gehrock herunter und hängte ihn ihr über die Schultern. Das sollte helfen. Er würde blind fliegen, wenn er sie nicht anders nach Hause bekäme, wo er sich um sie kümmern konnte.
Zum Haus zurück brauchten sie etwas länger als zu Irina, aber es ging. Durch die Dachtür trug er sie hinein und die Treppe hinunter in sein Schlafzimmer. Sobald sie drinnen waren, zog er ihr das Kleid sowie das ruinierte Korsett aus und legte sie behutsam aufs Bett, ein Handtuch unter ihr ausgebreitet.
Dann reinigte er die Wunde. Es war ein übler Schnitt, der von unterhalb ihres Busens bis halb um den Brustkorb reichte und zur Seite hin tiefer wurde. Zwar war der Schnitt nicht sehr tief, aber es fehlte einiges an Fleisch, und sie blutete immer noch. Wie es aussah, war Roxanas Dolch von den Korsettstangen abgelenkt worden und seitlich weggerutscht, bis die Klinge an die nächste Stange gestoßen war.
Es war hässlich, ganz gleich, wie es passiert war. Das Mädchen hatte offensichtlich auf Marikas Herz gezielt.
»Du hättest mir erlauben sollen, sie zu töten«, bemerkte er trocken, als er sich mit allem, was er für die Wundversorgung brauchte, neben sie aufs Bett setzte.
»Das konnte ich nicht, und du hättest es nicht getan.«
Bishop zuckte mit den Schultern. Ganz unrecht hatte sie nicht. Moralische Skrupel hielten ihn gewöhnlich davon ab, junge Mädchen zu töten, aber seine Gefühle für Marika waren stark genug, um seinen Moralkodex auszuschalten.
»Das wird jetzt wehtun, aber du musst ganz still liegen.«
Sie biss die Zähne zusammen und nickte.
Zunächst reinigte Bishop die Wunde mit Wasser und Seife, wobei er jedes Mal zusammenfuhr, wenn Marika vor Schmerz nach Luft rang. Er beeilte sich, damit es möglichst schnell vorbei war.
Nachdem die Wunde sauber war, zog er die Haut um den klaffenden Schnitt zusammen und nähte die Wunde zu. Anschließend bedeckte er den gesamten Bereich mit einer Salbe aus natürlichen Ölen, Kräutern und – das erzählte er Marika nicht – seinem eigenen Speichel, der eine besondere Heilwirkung besaß.
Erst als er sie fertig verbunden hatte, wagte Bishop, Marika ins Gesicht zu sehen. Sie war so weiß wie das Kissen, auf dem sie lag, Mund und
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