Die Schattensurfer (German Edition)
durch den Holo-Vorhang zurück in den ersten Medikamentenraum. Luan schob den schnarchenden Prönke und seinen Kollegen achtlos zur Seite. Er ging auf den Bioscanner zu: „Bitte öffnen.“ Nervös fuhr er sich über seinen lächelnden Mund.
„Endlich“, piepste der Computer erleichtert. „Es ist Großalarm. Patienten sind geflohen. Helfen Sie bitte bei der Suche mit!“ Ohne weitere Fragen ließ er die Schleuse auffahren.
Was Luan dort draußen im Gang sah, ließ ihn fast ohnmächtig werden. Und das wäre ihm eigentlich am liebsten gewesen. Natürlich hatte Kalawesi recht gehabt. Vorhin hätten sie noch eine Chance gehabt. Aber jetzt war es zu spät. Sansibar stolperte hinter ihm her und selbst Kalawesi schwankte. Nacho drückte sich ganz eng neben Luan.
Sie liefen einem Trupp Sipos genau in die Arme. Vier Sipos mit gezogenen Laser-Raptoren standen ihnen gegenüber. Die Tür zum Medikamentenlager hatte sich hinter ihnen schon wieder geschlossen. Es gab kein Zurück.
Luans Lächeln erstarrte in Angst. Er griff in die Tasche und tastete nach dem Griff seiner Waffe. Das war ein lächerlicher Gedanke. Niemals käme er gegen die vier an. Sansibar klammerte sich an Luan fest. Und das Klappern? Kam das von Kalawesis Zähnen?
Der Anführer des Sipo-Trupps trat noch einen Schritt auf Luan zu, dann riss er eine Hand hoch.
Luan wollte sich ducken, dem Schlag ausweichen, ihn abwehren, doch dazu war er viel zu steif. Natürlich war er genauso groß wie der andere Sipo. Aber Luan trug nur ein Holo-Kostüm und sein eigener Körper darin fühlte sich plötzlich winzig klein an.
Der Anführer richtete seine ausgestreckte Pranke direkt auf Luans Herz. Luan spannte alle Muskeln an, so fest er nur konnte, um dem tödlichen Karatehieb zu widerstehen. Doch dieser schlug nicht zu, hielt die Hand einfach ausgestreckt.
Da zischte ihm Sansibar von hinten zu: „Schütteln, du musst sie schütteln.“
Luan hob die rechte Hand und reichte sie seinem Gegenüber. Dieser schüttelte sie so heftig, als würde er Holz hacken: „Gratuliere, Luan, wirklich hervorragend gemacht.“
Mit seiner freien Hand versuchte Luan das Namensschild abzudecken, obwohl es jetzt sowieso egal war.
„Danke“, murmelte er unsicher.
Der Sipo sprudelte vor Begeisterung: „Großartige Leistung, ganz großartige Leistung. Du hast die Entflohenen alleine gefasst. Zwei Disinformiekranke, die sich der Korrektur entziehen wollten. Respekt. Dass sie sich ausgerechnet im Medikamentenlager versteckt haben, darauf ist keiner von uns gekommen.“ Dabei deutete der Sipo über Luans Schulter auf Sansibar und Kalawesi.
„Ganz genau“, zischte ihm Sansibar ins Ohr. „Ist doch alles prima.“ Sie ließ seinen Arm los. Luan verstand nicht. Angst würgte seine Gedanken ab. Sie tröpfelten nur noch in Sipo-Geschwindigkeit. Endlich machte es Klick. Luan schob seine Sonnenbrille zurecht und sagte: „Muss die beiden Gefangenen zum Professor bringen. Er will sich selbst um sie kümmern.“
„Wir begleiten dich“, bot der Sipo an und machte so eine Art Verbeugung.
„Nicht nötig. Kümmert euch lieber um die beiden Pfleger. Sie liegen betäubt im Medikamentenlager.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, ließ Luan die Sipos stehen, und beeilte sich, seine Gefangenen abzuführen. Mit federnden Schritten ging er voraus. Die Macht seines Holokostüms kribbelte angenehm in den Fingerspitzen. Kalawesi hatte Mühe zu folgen und Sansibar hastete hinterher. Sie waren noch nicht beim Aufzug angekommen, da blieb Nacho einfach stehen. Er starrte nach oben und winselte die Decke des mattgrauen Gangs an. Keinen Meter ging er weiter.
„Komm, Nacho!“, rief Luan. Nacho gehorchte nicht. Er jaulte und winselte und bellte. Kalawesi zischte: „Der verpatzt noch alles. Dann muss er eben hier bleiben, der Hund.“
Luan sah nach oben. An der Decke hing wie festgeklebt das Opossum. Luan versuchte, Nacho wegzuzerren. Doch der zottelige Hund ließ sich nicht einmal mit Sipo-Kräften bewegen. Plötzlich ließ sich das Opossum von der Decke fallen und landete genau auf Kalawesis Schulter. Es hockte sich auf die Hinterbeine, als wäre es schon immer dort gesessen. Mit den Vorderpfoten kramte es ein Tütchen Senf aus Kalawesis Sakkotasche.
Kalawesi riss die Augen auf. „Rüdiger?“, fragte er. Luan hatte keine Ahnung, wie Kalawesis Ratte in das Holo-Kostüm gekommen war, aber immerhin beruhigte sich Nacho.
Sie eilten weiter, bis sie am Ende des Gangs den Aufzug erreichten. Niemand hinderte
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