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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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sie daran einzusteigen. Die Türen glitten gräuschlos hinter ihnen zu.

36 EINFACH VERGESSEN
    Sansibars Knie fühlten sich puddingweich an, als der Aufzug nach oben schoss. Mit der rechten Hand stützte sie sich am geriffelten Stahlblech ab. Sie blickte in Luans verspiegelte Sonnenbrille. Nichts erinnerte sie an ihren Freund. Sansibar versuchte sich Luan in seinem ceeBand-T-Shirt vorzustellen, mit den dünnen Armen, die immer in Bewegung waren. Sie vermisste den Blick in seine tintenblauen Augen.
    Schon leuchtete das Hologramm der Eingangshalle auf. Der Aufzug bremste ab und die Türen glitten zur Seite. Natürlich hatte Sansibar nicht erwartet, dass sie alleine durch die Halle in die Freiheit spazieren könnten, aber dass es hier nur so von Sipos wimmelte, nahm Sansibar beinahe den Atem.
    Sansibar schob sich hinter Luan, Kalawesi ging dicht neben ihr. „Wir nehmen die kleine Treppe dort drüben und weiter den Notgang unter dem Kursolsee hindurch“, zischte Luan.
    „Woher kennst du den Weg?“, fragte Kalawesi. Luan hob seinen Arm mit dem ceeBand. „Von Lucilia.“
    Schon standen sie in der riesigen Halle. Sansibar hörte Schritte links und rechts. Sie sah nicht zur Seite. Sie stierte auf Luans Trainingsjacke. Nacho spürte sie dicht neben sich.
    „Gut gemacht, Luan“, bellte ein Sipo. „Wir sollen dich und die Patienten zum Professor begleiten. Er erwartet uns.“
    Ohne den Kopf zu drehen, linste Sansibar unter ihrer lila Haarsträhne hinüber. Dort standen sechs, nein sieben Sipos.
    „Danke, ich brauche keine Unterstützung. Mit dem Mädchen und dem Dicken werde ich alleine fertig.“
    Kalawesi lief dunkelrot an. Er knirschte mit den Zähnen.
    „Befehl von oben. Wir müssen euch begleiten.“
    Luan winkte den Anführer des Trupps zu sich heran, ganz nahe. Sansibar sah dessen Kopf über Luans Schulter auftauchen. Er war viereckig, fast quadratisch, und die Bügel der Sonnenbrille drückten sich in sein Gesicht. Sein Mund zog sich zu einem breiten Lächeln. „Was gibt’s, Kollege?“
    Luan räusperte sich. Er hielt seine Hände zu einem Trichter geformt vor den Mund und fragte: „Wie lange bist du schon Truppführer?“
    Der Sipo mit dem quadratischen Kopf blickte stolz auf den Kragen seiner Trainingsjacke. Dort prangte das Abzeichen eines Truppführers. Ohne den kleinsten Fleck glänzte es makellos silbern. Sicher putzte er es in jeder freien Minute.
    „Bin vor einem Jahr befördert worden. Ich habe Jugendliche beim Graffiti-Sprühen erwischt. Dann ging es ganz schnell mit der Beförderung.“ Der Sipo fasste mit seinem Daumen unter den Kragen und drehte das Abzeichen hin und her.
    „Eben“, antwortete Luan.
    Der Sipo machte ein begriffsstutziges Gesicht. Sein Trupp wurde allmählich nervös. Einer hüstelte, ein anderer scharrte mit den Schuhen.
    Luan ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Als wäre der Sipo sein bester Freund, legte Luan ihm eine Hand auf die Schulter. Mit verschwörerischer Stimme flüsterte Luan: „Ich möchte Eindruck schinden. Vielleicht werde ich dann auch zum Truppführer befördert. Ich würde die beiden Patienten gerne alleine zum Professor bringen. Er soll mich mit meinen Gefangenen sehen.“
    „Mmmh, verstehe, aber wir müssen dich begleiten, sonst bekomme ich Schwierigkeiten.“
    „Ist schon klar“, sagte Luan und zwinkerte. „Aber vielleicht könnt ihr 50 Meter hinter uns gehen. Dann erfüllt ihr euren Auftrag und ich werde befördert.“
    Der Sipo wiegte den quadratischen Kopf hin und her.
    „Bitte, bitte, bitte“, hoffte Sansibar und drückte die Daumen. 50 Meter Vorsprung wären besser als nichts.
    „Noch einmal Danke, Kumpel, für deine Unterstützung“, sagte Luan. „Und wenn du Hilfe bei deiner nächsten Beförderung brauchst, sag einfach Bescheid.“
    Der Sipo grinste. „Also abgemacht, wir folgen dir in einiger Entfernung.“
    „Vorwärts“, brummte Luan und zwinkerte Sansibar zu. Er deutete auf einen schmalen Durchgang gleich neben dem milchig schimmernden Tresen. Keine zwei Personen passten nebeneinander hindurch. Und dahinter führte eine enge Wendeltreppe nach oben. Luan marschierte mitten durch die Eingangshalle. Die drei hatten die Halle fast durchquert. Sie passierten den Empfangstresen. Eine Frau in rubinrotem Kostüm stand dahinter. Ihr Kristall saß auf einem silbernen Stirnband, geflochten wie aus Lamettafäden. Es schimmerte geheimnisvoll unter ihren schwarzen Haaren hervor. Die Frau zwinkerte Luan zu. Luan hob die Hand. Sie klimperte

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