Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
Vom Netzwerk:
zog den Socken herunter. Mit der anderen Hand nahm sie den Plasmaverband, zupfte ihn aus der Verpackung. Sie hielt das silbrig schimmernde Band hoch und begann es um Luans Knöchel zu wickeln. Der eiskalte Plasmaverband wirkte augenblicklich. Der stechende Schmerz erfror. Das höllische Brennen wich einer angenehmen Kühle. Luan bewegte die Zehen. Er drehte den Fuß, ein wenig nach rechts, ein bisschen nach links. Der Knöchel tat kaum noch weh.
    „Jetzt halt endlich still“, kommandierte Sansibar, „sonst kann ich den Verband nicht richtig befestigen. Du musst deinen Fuß eine halbe Stunde ruhig halten. So viel Zeit braucht er, um sich zu beruhigen.“
    Eine halbe Stunde konnte er auf keinen Fall warten. So viel Zeit hatte er nicht. Luan wollte aufstehen. Sein Fuß fühlte sich fast wieder gut an, doch Sansibar drückte Luan einfach hinunter.
    „Sitzen bleiben! Ruhig halten!“, zischte sie ärgerlich und hakte den Verschluss des Plasmaverbands ein.
    Luan gab sich geschlagen, für den Augenblick. Mit einem Seufzer lehnte er sich gegen das Sauerkrautfass. „Woher kannst du das?“, fragte er.
    „Ist doch nichts Besonderes. Kommt doch mal vor, dass man sich verletzt. Zu Hause bin ich meistens alleine. Meine Mutter ist vor zehn Jahren weg und mein Vater arbeitet die meiste Zeit, den sehe ich oft eine ganze Woche nicht“, erklärte Sansibar und prüfte noch einmal den Verband.
    „Wo ist deine Mutter?“, fragte Luan. Irgendwie ließen sich die Puzzleteile in seinem Kopf noch nicht zusammensetzen. Wieso hatte Sansibar bei den Häppy Kidz gewohnt, wenn sie jetzt bei ihrem Vater lebte? Er wurde aus ihr nicht schlau.
    „Meine Mutter?“, wiederholte Sansibar gedehnt, dabei sah sie ihn so komisch an. Ihre Augen glitzerten. „Weg ist sie.“ Sansibar zuckte mit den Schultern und blickte nach draußen in die Nacht. „Warum fragst du?“
    „Ich kenne meine Eltern nicht. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt, Eltern zu haben.“ Luan schluckte. Eigentlich wollte er dieser Sansibar nichts von seinem Leben erzählen, aber irgendetwas ließ ihn reden wie einen Wasserfall. Luan erzählte alles. Haarklein. Von den Häppy Kidz, von Mama Berta und wie er von dort geflohen war.
    „… in Mallinport hätte ich nie mehr Computerprogramme entwickeln dürfen, nachdem Mama Berta mich von der Kristallfeier ausgeschlossen hat. So schreibt es das Gesetz vor. Kalawesi hat mir bei der Flucht in die Schattenstadt geholfen. Dort lebe ich jetzt ohne Erwachsene, bin einer von den Schattensurfern. Niemand macht uns Vorschriften. Ich kann tun was ich will. RUHL hat dort keine Macht. Wir müssen keine Gedanken an RUHL abgeben. Unsere Gedanken gehören uns. Sie werden auf keinem Server gespeichert. Den ganzen Tag erfinden und programmieren wir neue Attraktionen für den Lunapark“, haspelte sich Luan durch sein Leben. Er hatte Angst, dass die Zeit nicht reichte und er wollte Sansibar alles erzählen. Noch nie hatte sich jemand für sein Leben interessiert.
    „Das ist aber ziemlich egoistisch, vor der Verantwortung für die Gesellschaft zu fliehen“, sagte Sansibar. Sie sah Luan ernst an. „Dank RUHL helfen alle der Gesellschaft und RUHL unterstützt jeden Einzelnen von uns, wo immer es nötig ist. Was meinst du, wo wir heute ohne RUHL stünden? Wir würden noch im Spätmittelalter leben. Das gesamte Wissen der Menschheit würde auf eine winzige Omnixer-Speicherplatte passen. Ach, ich vergaß, wahrscheinlich würde es noch nicht einmal Omnixer-Speicherplatten geben. Und um das Geheimnis deiner eigenen Gedanken musst du dir keine Sorgen machen. Alle Gedanken werden ohne Namen gespeichert, völlig anonym. RUHL hat keine Ahnung, welcher Gedanke von wem kommt. Niemand kann das erfahren“, ereiferte sich Sansibar und wippte dabei aufgeregt auf den Zehenspitzen.
    „Träum weiter“, warf Luan trotzig zurück. „Ja, RUHL speichert die Gedanken anonym. Aber wenn RUHL will, findet es zu jedem Gedanken die richtige Person. Wie sollte RUHL sonst die Kristallfarbe berechnen. RUHL weiß, wer welchen Gedanken gedacht hat.“
    „Die Gedanken werden mit dem allerhöchsten Sicherheitsstandard nach ABEX4 verschlüsselt und im Zentralcomputer gespeichert. Diesen Schutz hat das Sicherheitsministerium verfügt. Da kommt niemand ran.“
    „Pahh, den Zentralcomputer könnte ich lässig knacken. Daran würde mich auch ABEX4 nicht hindern. Jeder Computer kann geknackt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit“, sagte Luan und pustete mit vorgeschobener

Weitere Kostenlose Bücher