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Die Schattensurfer (German Edition)

Die Schattensurfer (German Edition)

Titel: Die Schattensurfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Wiest
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er seine Nase wieder losließ, war sie ganz rot, so fest hatte er sie zusammengepresst.
    Draußen vor der Fabrik versperrte ein riesiger Stapel Sauerkrautkonserven den Weg zur Straße. Sie waren groß wie Eimer. Luan schüttelte sich angewidert.
    Keuchend hastete Pablo hinterher. „Warte doch auf mich!“
    In diesem Moment hörte Luan einen Scooter. Ganz nah.
    „Duck dich“, raunte Pablo und riss Luan nach unten, in Deckung hinter die Sauerkrauteimer.
    Luan spähte zwischen zwei Eimern hindurch. Der Schlitz war viel zu klein und etwas zu hoch. Luan musste näher ran. Er lehnte sich gegen die Eimer. Da bekam er Übergewicht und stolperte. Die Blechwand schwankte. Luan versuchte sie zu halten. Er griff nach dem obersten Eimer, bekam ihn nicht mehr richtig zu fassen.
    Mit ohrenbetäubendem Getöse fiel die Blechwand in sich zusammen. Krachend rollten die Eimer zur Straße, dort, wo jetzt der Scooter fuhr.
    „Mist“, zischte Pablo.
    „Das sind keine Sipos. Die schütteln wir ab“, sagte Luan. „Du fliehst durch die Sauerkrautfabrik übers Dach und ich nehme den Weg durch den Hof. Die erwischen uns nie.“
    Pablo nickte.
    Die Blechlawine donnerte direkt auf den Scooter zu.
    Für einen Augenblick standen Luan und Pablo ohne schützende Konservendosenmauer in der Nacht. Es war dunkel genug, dass niemand sie erkennen konnte.
    Pablo verschwand auf seinem Skateboard in die Sauerkrautfabrik.
    Luan stieß sich mit dem Fuß ab. Der Bersolmotor zischte und Luan glitt in den Hinterhof. Wie in einen tiefen Dornröschenschlaf gefallen, stand dort ein verrosteter Lastwagen mit der Aufschrift Etzingers feines Sauerkraut.
    Luan hörte Schritte hinter sich. Jemand stolperte gegen einen Eimer. Luan drehte sich um. Sein Skateboard schlingerte. Es bäumte sich, als wollte es ihn abwerfen. Luan gab ihm die Sporen, den Blick immer noch nach hinten gerichtet. Das Skateboard beschleunigte. Luan sah, dass ihm jemand folgte.
    Mit einem Schlag blieb sein Skateboard stehen, wie von einer eisernen Faust gepackt. Luan war mit dem Fuß unter einen Stahlbügel geraten und hatte sich dort verhakt. Das gebogene Metall ragte festbetoniert aus dem Boden. Luan schlug vorne über. Sein Knöchel brannte wie unter einem Flammenwerfer. Luan schrie auf. Alles drehte sich in seinem Kopf. Röchelnd erstickte der Bersolmotor. Luan griff nach seinem Fuß und versuchte ihn aus dem Bügel zu ziehen. Es gelang ihm nicht, keinen Zentimeter. Schmerzen wie Feuer jagten durch seinen Körper. Luan biss sich auf die Lippe, um nicht noch einmal zu schreien.
    Da waren sie wieder, die Schritte. Sie kamen direkt auf ihn zu. Ein Schatten löste sich von der Mauer. Ganz deutlich zeichneten sich die Umrisse eines Mädchens in den Nachthimmel. Besonders groß war sie nicht. Sie trug die Haare halblang.
    Mit einem Ruck zerrte er seinen Fuß aus dem Bügel. Luan schrie auf und rollte zur Seite. Er schmeckte Blut im Mund.
    Das Mädchen hatte ihn gehört. Natürlich kam sie näher. Sie hatte ihn längst entdeckt. Luan versuchte sich aufzurichten. Da stand sie direkt vor ihm. Sie war nicht älter als er. Luan sah sie im Profil.
    „Du?“, fragte er fassungslos.

15 FEINES SAUERKRAUT
    „Du?“, fragte Sansibar verwundert. „Bist du es, Luan?“
    Luan drückte sich mit den Händen hoch. Sein Knöchel brannte wie mit einer Lötlampe gemartert. Er ließ sich zurück auf den Boden sinken. Dort hockte er, saß vor Sansibar auf einer abgewetzten Betonplatte. Er hatte sich in Sansibar geirrt. Sie war nicht mehr seine Freundin. Es war viel Zeit vergangen seit damals. Sie wollte sich nicht mehr an ihn erinnern. Zornig fuhr er sie an: „Was willst du von mir? Hau ab, du und deine blöde Freundin. Warum wollt ihr mich ans Messer liefern? Was habe ich euch getan? Lasst mich endlich in Ruhe!“ Luan brodelte vor Wut. Er war diesem Mädchen ausgeliefert. Das tat fast noch mehr weh als der geschwollene Knöchel. Wäre er nicht über diesen bescheuerten Bügel gestürzt, er wäre längst zurück in der Schattenstadt. Sogar mit den Sipos war er fertiggeworden. Was konnte ihm da schon dieses Mädchen anhaben? Nervös knetete Luan seine Finger.
    „Ich habe dich nicht verraten und ich werde dich nicht verraten“, brauste Sansibar auf. „Obwohl, wenn ich es mir genau überlege, warum eigentlich nicht. Gibt sicher eine Menge RUHL-Punkte. Vielleicht komme ich damit auf die Titelseite des Schuljahrbuchs.“
    Luan spuckte angewidert aus. Er griff nach seinem Skateboard. Doch als er es aufheben

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