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Die Schattenträumerin

Die Schattenträumerin

Titel: Die Schattenträumerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Wilk
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bin dreizehn«, erinnerte Francesca ihre Großmutter ärgerlich. »Ich weiß noch nicht, ob ich Kinder haben möchte.«
    Fiorella schwieg einen Moment, dann breitete sich ein entschuldigendes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.
    »Du hast recht, es tut mir leid«, lenkte sie in versöhnlichem Tonfall ein. »Du bist noch zu jung, um dir über solche Dinge Gedanken zu machen.« Sie grinste. »Venezianer wie ich, die in einem Labyrinth aufgewachsen sind, denken eben oft auch etwas kompliziert und verquer. Aber ich kann dich beruhigen, morgen werden wir über etwas anderes sprechen – nämlich über das düstere Geheimnis der Medici-Familie.«
    Ehe Francesca etwas erwidern konnte, hob Fiorella den Kopf und sog die Luft ein. »Stella ist mit dem Essen fertig! Es riecht angebrannt.« Sie stand auf und stützte sich schwer auf ihren Stock. »Bring mich nach unten, Kind.«
    Francesca seufzte ergeben, stand auf und reichte Fiorella ihren Arm. Anscheinend hatte sie keine andere Wahl, als den nächsten Nachmittag abzuwarten.



 
    s ie lief durch die Dunkelheit. Hektisch, atemlos. Ihre Haare klebten feucht an ihrer Stirn, ihr Brustkorb hob und senkte sich so schnell, dass es schmerzte. Er war hinter ihr her! Auch wenn sie ihn nicht sehen konnte, so spürte sie dennoch seine Gegenwart. Das Böse, das gleich einem Insekt begierig seine Fühler ausstreckte und jeden Winkel nach ihr abtastete, kam ihr immer näher.
    Er suchte sie. Wie jede Nacht. Doch so nah wie heute war er ihr noch nie gekommen. Sie musste sich beeilen! Schon hörte sie seine Schritte und das Rascheln seines Umhangs. Francesca ignorierte das schmerzhafte Stechen in ihrer Seite und eilte weiter. Das Pflaster zu ihren Füßen war nass und glitschig, das Echo ihrer Schritte hallte dumpf von den Wänden. Der Geruch von Salz, Tang und Feuchtigkeit stieg ihr in die Nase. Wenn es nur nicht so dunkel gewesen wäre … Hilflos streckte sie ihre Hände aus. Wo war sie nur? Ihre Fingerspitzen glitten zu beiden Seiten über raues Mauerwerk, das sich wie spitze Nadeln in ihre Haut bohrte.
    Wider besseres Wissen blickte sie im Laufen über ihre Schulter. Ob er noch weit entfernt war? Oder würde sich jeden Augenblick seine Hand in ihre Schulter bohren, um sie zurückzureißen? Aber sosehr sie sich auch bemühte, ihre Augen konnten die Finsternis nicht durchdringen. Als sie sich wieder umdrehte, verloren ihre Füße auf dem nassen Pflaster für einen winzigen Moment den Halt. Francesca rutschte aus und fiel mit einem erstickten Aufschrei zu Boden. Etwas in ihrem linken Knöchel brach mit einem knackenden Geräusch entzwei. Der Schmerz raubte ihr für einen Augenblick fast das Bewusstsein.
    Doch sie musste weiter. Eine innere Stimme schrie ihr verzweifeltzu, dass sie ihm niemals in die Hände fallen durfte! Es wäre ihr Ende. Francesca ignorierte den Schmerz und kroch auf allen vieren weiter. Vorwärts, immer nur vorwärts, nur nicht an einer Stelle verharren!
    Da – seine Schritte …
    Sie stöhnte auf. Er war schon zu nahe, viel zu nahe. Francesca hatte keine Chance mehr, zu entkommen. Sie presste die Augen zusammen. Ich muss aufwachen, keuchte sie, ICH MUSS SOFORT AUFWACHEN! Sie kniff sich so stark in den Arm, dass der Schmerz in ihrem Knöchel für einen Moment nachzulassen schien. Doch es nützte nichts.
    Direkt vor ihr verstummte das Geräusch. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Dunkelheit verdichtete sich zu einer hochgewachsenen Silhouette aus tiefem Schwarz. Sie hörte, wie er genüsslich die Luft einsog, als würde er Francescas Duft gierig in sich aufnehmen, ihn verschlingen. Seine jahrelange Jagd hatte ein Ende.
    »Endlich habe ich dich gefunden!«, sagte er mit einer krächzenden Stimme, die Francesca einen Schauer über den Rücken jagte. Sie klang, als käme sie aus den Tiefen einer dunklen Höhle.
    Francesca schlug die Augen auf. Ihre Hände krallten sich in der Bettdecke fest und ihr Pyjama klebte unangenehm auf ihrer Haut.
    Ich bin in der Realität, flüsterte sie sich wie jeden Morgen selbst zu, das hier ist real! Mit zitternden Fingern fuhr sie sich über die Augen. Es war nur ein Albtraum!
    Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag wieder und dieAngst verflüchtigte sich. In gleichem Maße sickerte die ungeheuerliche Erkenntnis von dem, was gerade geschehen war, in ihr Bewusstsein: Ihr Jäger hatte zu ihr gesprochen!
    In all den Jahren, in denen sie von ihrer Flucht durch die Dunkelheit geträumt hatte,

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