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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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großartig. Er neigte den Kopf nach vorne, als denke er angestrengt nach. Schließlich blickte er auf und räusperte sich.
    »Das ist nicht die Art von Auftrag, die ich normalerweise annehme.«
    »Das ist nicht die Art von Auftrag, die ich normalerweise vergebe. Klingt spannend, nicht wahr?«
    »Ich gehe nicht nach Lightside.«
    »Musst du auch nicht. Der Junge ist hier.«
    Carnegie schnaubte.
    »Ein Junge aus Lightside? Hier? Das bezweifle ich. Selbst wenn er es geschafft hätte, den Übergang zudurchschreiten – warum auch immer er das tun sollte –, wäre er längst tot.«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber ich habe so ein Gefühl, dass er immer noch sehr lebendig ist.«
    Vendetta starrte Jonathan wieder an. In Jonathans Kopf kreisten viele Fragen. Woher kannte der reichste Mann Darksides seinen Namen? Was wollte er von ihm? War es nur ein Zufall, dass er Carnegie anheuern wollte, oder wusste er, dass sein Opfer genau vor ihm saß? Der Schweiß lief ihm über das Gesicht. Jonathan hoffte, dass Vendetta der Hitze die Schuld dafür geben würde.
    »In Ordnung. Nehmen wir mal an, dass der Junge noch lebt und ich ihn finde. Was wirst du mit ihm anstellen?«
    »Das soll nicht deine Sorge sein. Du sollst ihn mir nur bringen.«
    »Ich weiß nicht …«, zweifelte der Wermensch. »Das klingt alles ein wenig merkwürdig.«
    Ein kurzer Anflug von Verärgerung huschte über Vendettas Gesicht.
    »Verdammt noch mal, Carnegie, was ist daran so schwierig? Nimmst du den Auftrag nun an oder nicht?«
    »Könnte ich vielleicht etwas zu trinken haben, während ich darüber nachdenke?«
    Vendetta knirschte mit den Zähnen. Er musterte Carnegie etliche Sekunden, bevor er sich zu einem Lächeln zwang.
    »Selbstverständlich. Ich rufe das Dienstmädchen.«
    Er erhob sich langsam und ging zu einem Tisch am Rand der Terrasse, auf dem sich ein altmodisches Telefon unter den Blättern eines großen Farns verbarg. Er nahm den Hörer in die Hand und sprach, ohne zu wählen, in einem barschen Tonfall hinein.
    »Raquella, ich bin im Glashaus. Bring mir eine neue Flasche und noch zwei Gläser.«
    Carnegie hob eine Augenbraue.
    »Ein Telefon, im Glashaus?«
    »Ein notwendiger Luxus. Ich mache viele Geschäfte von hier aus … Oh, ich vergaß zu fragen. Möchte der Junge auch etwas? Er ist ein wenig rot im Gesicht.«
    Carnegie drehte seinen Kopf etwas zu schnell herum.
    »Nein, nein …«, erwiderte Jonathan hastig. »Mir ist ein bisschen heiß, aber ich bin überhaupt nicht durstig.«
    In Wahrheit war sein Mund trocken und sein Hals kratzte, aber er wollte die Aufmerksamkeit nicht noch mehr auf sich lenken. Hätte er ein Glas Wasser trinken müssen, dann wäre er nicht in der Lage gewesen, es ruhig zu halten, so sehr zitterten seine Hände.
    »Kümmere dich nicht um ihn, Vendetta. Dem geht’s gut. Sobald sein Vater bezahlt hat, kann er heimgehen und so viel Wasser trinken, wie er will.«
    Vendetta lachte.
    »Und du fragst dich, warum ich dich anheuern will?«
    »Ich dachte, das hätte etwas mit der Sache mit McIlroy zu tun …«
    Die beiden Männer schwelgten daraufhin in Erinnerungen an alte Darkside-Fehden, und Jonathan war froh, dass das Interesse nicht mehr auf ihn gerichtet war.
    Es war eine seltsame Unterhaltung. Obwohl der höfliche Geschäftsmann und der kaputte Privatdetektiv sehr unterschiedliche Menschen waren, verband sie doch die heruntergekommene Welt, in der sie lebten, untrennbar miteinander. Sie mochten einander nicht, doch beide respektierten widerwillig die Macht des anderen.
    Jonathan hörte, wie die Tür zum Glashaus sachte geöffnet und wieder geschlossen wurde. Er beobachtete ein schlankes Mädchen, das zwischen zwei großen Palmen erschien und ein Tablett mit Getränken geschickt auf einer Hand balancierte. Sie trug ein schwarzes Kleid und eine weiße Schürze, die einen deutlichen Kontrast zu ihren leuchtend roten Haaren bildete. Selbst aus dieser Entfernung erkannte Jonathan sie sofort. Es war das Mädchen, das ihm auf der Hauptstraße geholfen hatte. Sie kannte seinen Namen, und das bedeutete, dass er höchstwahrscheinlich erledigt war.
    »Ah, Raquella. Stell die Getränke bitte einfach dort drüben ab.«
    Sie machte einen höflichen Knicks und tat, wie man ihr geheißen hatte. Jonathan hielt den Atem an. Wenn sie jetzt aufblickte und seinen Namen sagte, war alles aus. Glücklicherweise behielt sie ihren Blick respektvoll gesenkt und sah keinen der beiden Gäste an. Vendettaschenkte Carnegie ein Glas ein und

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