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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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Roberts in einem heruntergekommenen Gebäude im Osten Londons die Haare schneiden ließ. Es war, gelinde gesagt, peinlich, zumal Shaw anschließend keinerlei Veränderung an Roberts’ Frisur feststellte.
    Was die konkrete Polizeiarbeit betraf, gab es nichts zu berichten. Die erneuten Untersuchungen der Tatorte hatten keine neuen Erkenntnisse gebracht. Am Trafalgar Square hatte zwar ein Beamter ein paar leuchtend orangefarbene Haare gefunden, aber Roberts hatte dieser Entdeckung keine Beachtung geschenkt.
    »Natürlich!«, hatte er sich lustig gemacht. »Die berühmten Kidnapper-Clowns! Strengen sie sich an, Ihnen fällt bestimmt noch etwas Besseres ein.«
    Er warf Shaw einen genervten Blick zu. Der Inspektor zwang sich dazu zurückzulächeln. Einerseits hatten sie so wenige Spuren, dass es ihm seltsamerschien, auch nur eine davon außer Acht zu lassen, andererseits ging er davon aus, dass Roberts wusste, was er tat. Er wünschte sich lediglich, dass er einen Anhaltspunkt dafür entdecken konnte.
    »Na, haben Sie sich schon in der Spezialeinheit eingelebt, Shaw? Irgendwelche Probleme?«
    »Nein, Sir. Alles prima. Aber …«
    »Aber, was?«
    Shaw nahm einen Schluck Wasser.
    »Ich habe … Ich meine nur, ich habe bisher noch nicht so richtig was getan. Außer Auto fahren.«
    Roberts lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Ein belustigtes Lächeln huschte über sein Gesicht.
    »Sie hoffen also auf etwas mehr Aufregung. Ein wenig mehr rennen und böse Jungs jagen. So wie das die Leute in den Filmen machen.«
    Verärgerung mischte sich in sein Lächeln.
    »So nun auch wieder nicht …«, stotterte Shaw.
    Carters Tonfall wurde zu einem leisen Fauchen.
    »Die Spezialeinheit löst ihre Fälle, weil sie eben genau so nicht arbeitet. Wir analysieren, wir warten, wir denken voraus. Das ist ein komplizierter Vorgang, den ein Streifenbulle vielleicht für ein wenig unter seiner Würde hält, aber wir haben herausgefunden, dass man damit Ergebnisse erzielt. Haben wir uns verstanden?«
    »Selbstverständlich, Sir. Ja, entschuldigen Sie, Sir.«
    Plötzlich entspannten sich Roberts Gesichtszüge wieder und das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück.
    »Wie auch immer, wir treffen heute Nachmittag jemanden, von dem ich glaube, dass er uns bei diesem Fall helfen kann. Es könnte gut sein, dass er wertvolle Informationen hat. Sollten Sie sich danach immer noch langweilen, werde ich versuchen, ein wenig Schwung in die Sache zu bringen. Wir könnten ja auf jemand schießen oder so was. In Ordnung? Ah, schön, hier kommt unser Essen.«

    Nach dem Essen genehmigte er sich noch einen Kaffee, dann brachen die beiden Männer am späten Nachmittag auf. Ihr Fahrzeug, ein grauer Mercedes mit getönten Scheiben, war vor dem Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt. Shaw hatte noch nie ein solch teures Fahrzeug im Einsatz für die Polizei gesehen, aber er hatte allmählich das Gefühl, dass für Roberts nicht dieselben Regeln wie für andere Polizisten galten.
    Shaw nahm auf dem Fahrersitz Platz und rieb sich die Hände.
    »Wo soll es denn hingehen, Sir?«
    »Fahren Sie über die Waterloo-Brücke. Danach sage ich Ihnen, wie Sie fahren müssen.«
    Wie im Zentrum Londons üblich, staute sich der Verkehr kilometerweit, und der Mercedes schob sich zentimeterweise durch die verstopften Straßen. Roberts schien nicht besorgt zu sein, dass er zu spät zu seinem Treffen kommen könnte, und verbrachte die Zeit damit, sich Notizen in seinem ledergebundenenBlock zu machen, den er in der Innentasche seiner Jacke verwahrte. Hin und wieder schmunzelte er still vor sich hin.
    Schließlich überquerte der Mercedes die Waterloo-Brücke. Der Himmel war durchzogen von rosa und violetten Streifen, und obwohl es noch hell war, konnte man den Mond bereits klar erkennen. Auf der Südseite der Themse drehte sich gemächlich das Millennium-Riesenrad wie ein erschöpfter Ventilator. Shaw schaltete zur Unterhaltung das Radio ein, aber ein strafender Blick von Roberts brachte ihn dazu, es sofort wieder abzustellen. Konnte er bei diesem Mann überhaupt irgendetwas richtig machen?
    Der Mercedes passierte den Waterloo-Bahnhof jenseits der düsteren Gebäude am Südufer. Die Straßen änderten ihr Aussehen, sie wurden schmaler und verwinkelter. Roberts dirigierte Shaw durch das Labyrinth der Nebenstraßen, ohne von seinem Notizblock aufzublicken.
    Schließlich landeten sie in einer heruntergekommenen Straße, die mit Müll und Plastiktüten übersät war. Auf

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