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Die Schattenwelt

Titel: Die Schattenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Becker
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am Eingang lehnte. Es war ein groß gewachsener, gut aussehender Mann in einem dreiteiligen Anzug, der einen dunkelroten Gehrock trug. Seine Haut war blass und seine Haare so hell, dass die Grenze zwischen Blond und Weiß verschwamm. Auf seiner Nase klemmte eine Brille mit spitzen, halbmondförmigen Gläsern. Er nahm eine aufrechte Haltung an, als sie sich ihm näherten, und breitete die Arme zu einer Willkommensgeste aus. Sein Lächeln war eiskalt.
    »Carnegie! Willkommen auf Vendetta Heights. Du warst noch nie hier, wenn ich mich nicht irre?«
    Carnegie zog seinen Hut.
    »Nein. Muss wohl meine Einladungskarte verloren haben.«
    »Immer noch derselbe bissige Humor, wie ich sehe. Doch ausnahmsweise bist du mal nicht allein. Wer ist der Junge?«
    »Er heißt Tobias. Sein Vater hat mich beauftragt, ihn zu finden. Hab ich getan, aber er hat beschlossen,dass er es sich nicht leisten kann, mich zu bezahlen. Also muss ich den Jungen behalten, bis er seine Meinung ändert.«
    Vendetta warf Jonathan einen kühlen, prüfenden Blick zu, der ihn erzittern ließ.
    »Hacke dem Jungen eine Hand ab und schicke sie dem Vater. Das sollte die Sache beschleunigen.« Er hielt inne und lächelte wieder. »Tut mir leid, Tobias, aber Geschäft ist Geschäft. Was soll’s, kommt doch beide erst einmal rein. Ich fürchte, das Wetter wird schlechter.«
    Im Glashaus war es heiß und feucht. Jonathan spürte, wie sich augenblicklich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. Das leuchtende Rot, Blau und Gelb tropischer Pflanzen und Blumen überstrahlte zu allen Seiten die ausladenden Farngewächse. Ein schmales Bächlein rann zwischen den Beeten hindurch und verschwand im Nirgendwo. In der Mitte des Glashauses befand sich eine erhöhte Terrasse, auf der ein paar Korbstühle standen. Vendetta ließ sich auf einem nieder und nahm seine Brille ab.
    »Etwas zu warm hier drinnen, oder?«, knurrte Carnegie.
    »Diese Pflanzen sind vermutlich so wertvoll wie die gesamte Hauptstraße. Sie verdienen meine volle Fürsorge. Setzt euch.«
    Es war eher ein Befehl als eine Bitte. Jonathan schwitzte heftig und tat, was man von ihm verlangte. Der Schweiß rann ihm bereits in Strömen den Rücken hinunter. Carnegie zwängte sich in den Stuhl nebenihm, er fühlte sich ebenfalls sichtlich unwohl. Vendetta hingegen schien die Hitze nichts auszumachen. Er besprühte eine Orchidee mit Wasser aus einer violetten Pumpflasche, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Gästen widmete.
    »Nun, du fragst dich bestimmt, warum ich dich gerufen habe.«
    »Ja, der Gedanke kam mir«, entgegnete der Wermensch.
    »Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich brauche deine Hilfe.«
    Carnegies Gesicht musste seine Überraschung deutlich widergespiegelt haben, denn Vendetta brach in schallendes Gelächter aus. Der Klang seines Lachens hallte von der Glasdecke wider.
    »Komm schon, so außergewöhnlich ist das nun auch nicht. Selbst die Besten brauchen ab und zu Unterstützung.«
    »Du kannst es dir leisten, wen immer du willst, zu engagieren. Warum gerade mich?«
    »Wie soll ich dir das erklären? Es hat sich herumgesprochen, dass … deine Methoden sehr effizient sind. Außerdem genieße ich deine Gesellschaft sehr. Weißt du, ich habe keine Haustiere.«
    Vendetta genoss es sichtlich, Carnegie zu reizen. Obwohl er in einem sanften und beiläufigen Tonfall sprach, waren seine Worte abfällig und verletzend. Jonathan rief sich Vendettas Blick in Erinnerung, als er vorgeschlagen hatte, ihm eine Hand abzuhacken. Seine Augen waren emotionslos und voller Boshaftigkeit.Sich mit diesem Mann anzulegen, wäre lebensgefährlich. Carnegie behagte das Angebot überhaupt nicht. Er kratzte sich energisch am Kopf.
    »Was soll ich für dich tun?«, fragte er schließlich.
    »Ich will, dass du etwas für mich suchst.«
    »Was? Einen Schatz? Eine Waffe? Einen Feind?«
    »Einen Jungen.« Vendetta starrte Jonathan direkt in die Augen. »Einen Jungen aus Lightside. Er heißt Jonathan Starling.«

14
    Jonathan erstarrte auf seinem Stuhl. Trotz der drückenden Hitze im Glashaus lief ihm ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. Vendettas hellblaue Augen fixierten ihn. In der Stille dröhnte das Plätschern des Bächleins wie ein rauschender Wasserfall. Er zwang sich, Vendettas Blick so selbstsicher wie möglich zu erwidern. Wenn er sich etwas anmerken ließe, wäre es um ihn geschehen. Zum Glück hatte er andere Sachen an.
    Obwohl Carnegie genauso überrascht sein musste wie Jonathan, verhielt er sich

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