Die Schatzhöhle
Sklaven.
Sansibar war zu dieser Zeit der Hauptumschlagplatz für den Sklavenhandel. Von hier aus starteten die Sklavenjäger, meistens Araber, in das Innere Afrikas und verkauften ihre lebende Ware dann an die amerikanischen Kapitäne, deren Schiffe schon darauf warteten. Die armen Schwarzen, für die es kein Recht und kein Gericht gab, wurden von hier aus,
zusammengepfercht in den Bäuchen der unersättlichen Schiffe, über Haiti in die Südstaaten
Amerikas eingeführt, während die Herren gegen England für die Unabhängigkeit und Freiheit
Amerikas auf den Schlachtfeldern bluteten.
Die Welt steckte eben voller Widersinnigkeiten.
Am Hafen sprach Michel einen bärtigen Araber an.
»Es-salam alejkum. — Kannst du mir sagen, wo ich hier einen Eingeborenen finde, der sich drüben auf dem Festland auskennt?«
»W'alejkum 's-salam«, erwiderte der Araber höflich den Gruß. Aber dann verzog sich sein
Gesicht zu einer Grimasse. »Nach drüben willst du, hebek Sadik? Ich habe dich noch nie hier
gesehen. Welches ist dein Schiff? Wie heißt es?«
»Ich habe kein Schiff. Weshalb fragst du?«
Der Araber blickte finster drein.
»Du hast kein Schiff und willst Sklaven fangen? — Wieder einer mehr, der sich mit unserem Geschäft abgibt! Ich sage dir, wir sind genug Jäger! Wir brauchen keinen Zuwachs.«
Es dauerte eine Weile, bis der Pfeifer verstanden hatte, wofür ihn der andere hielt. »Du irrst, Sayd. Ich will keine Sklaven fangen!«
»Was willst du dann im Dschungel? Scheherazade hat bessere Märchen erzählt! Von mir erfährst du nicht, wer dich zu den Dörfern der Schwarzen führen kann.«
»Schejtan«, versuchte es Michel auf die grobe Art. »Dein Gehirn ist ausgetrocknet wie eine Zitrone in der Sonne. Siehst du nicht, daß du Gelehrte aus Frankistan vor dir hast? Ich bin ein Hakim und ein Munschi. Ich will mit meinen Freunden eine Expedition ins Innere Afrikas machen, um es zu erforschen!«
Der Araber war noch immer mißtrauisch. Er warf vielsagende Blicke auf das Gewehr, das Michel in einer Lederhülle quer über dem Rücken trug. Er hatte es mitgenommen, weil er das Hotel nicht für einen besonders sicheren Ort hielt. »Und wozu schleppst du dann ein Gewehr mit dir herum?«
»Allah akbar, wer hat dich das Fragen gelehrt?« stellte sich Michel empört. »Auch ein Forscher
muß eine Waffe bei sich haben! Ich versichere dir, daß mein Sinn nicht nach Sklaven steht.«
Der Araber schien sich überzeugen zu lassen.
»Bis wohin willst du vorstoßen?«
»Bis zu dem Berge, auf dessen Gipfel der Schnee nicht schmilzt.«
Da lachte der Araber schallend auf.
»Kehr um«, rief er, »kehr um! Wo hast du diese alberne Legende gehört? Die Eingeborenen an der Küste reden schon seit Jahrhunderten in geheimnisvollen Worten von dem Schneeberg. Sie nennen ihn den »Berg des bösen Geistes«. Aber es ist ein Gebirge, das nur in ihrer Phantasie existiert. Gesehen hat es noch niemand.«
»Doch«, behauptete Michel. »Ich kenne einen, der schon dort gewesen ist. Ich könnte es dir genau beschreiben. Aber du würdest es vermutlich nicht glauben.«
»Unsinn, albernes Geschwätz«, lachte der Araber. »Wie soll es hier einen Berg geben, auf dem ewiger Schnee liegt? — Dir selbst rinnt der Schweiß in Strömen von der Stirn. Wenn du ein Gelehrter sein willst, mußt du wissen, daß es Schnee nur in kalten Ländern gibt. Der Vater meines Großvaters hat einmal welchen gesehen und meinem Vater davon erzählt. Er ist weiß und fühlt sich an wie kaltes Pulver. Aber sobald die Sonne ihn trifft, wird er zu Wasser.«
»Deines Großvaters Vater hat richtig erzählt. Ich bin aus Frankistan, wie ich schon sagte. Dort liegt jetzt Schnee. Dort liegt jedes Jahr um diese Zeit Schnee, viele Monate lang.« Der Araber blickte ihn erstaunt an. Dann meinte er :
»Wenn du aus dem kalten Land nach hier in die Wärme geflohen bist, weshalb suchst du dann
hier den Schnee?«
»Ich bin Forscher.«
Der andere zuckte die Achseln.
»Nun gut, so will ich dir jemanden nennen, der dich führen kann. Es ist ein Schwarzer. Aber er
wird Bezahlung fordern.«
»Natürlich. Jede Arbeit muß bezahlt werden.«
»Wenn du Sklaven hättest, brauchtest du sie nicht zu bezahlen.«
Diesem Manne ausreden zu wollen, daß das Halten von Sklaven nicht in sein Weltbild passe, erschien dem Pfeifer sinnlos. So meinte er:
»Deine Rechnung geht nicht auf. Wenn ich Sklaven hielte, so müßte ich ja für ihren Unterhalt sorgen. Das ist auf die Dauer teurer als die Miete für
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