Die Schatzhöhle
ersten zwei gingen zögernden Schrittes davon. Es waren vielleicht sechzig Meter bis zu dem Baum am Waldrand.
Michel hoffte sehr, daß alle gehen würden; denn er wollte unauffällig seine abgeschossenen Läufe wieder laden. Doch die Blicke der anderen hingen mißtrauisch an seinem Gewehr. Sie achteten auf jede seiner Bewegungen, um die beiden Mutigen warnen zu können, wenn er das Gewehr etwa hob. Doch dann war es soweit.
Die beiden hatten die Löcher im Baum gefunden. Und zwar saß eines immer genau zwei Handbreit unter dem anderen. Allein die Leistung des Zielens beeindruckte dieMänner so stark, daß sie laut hinüberriefen, was sie sahen.
Jetzt hielt es die anderen nicht mehr. Außer Abu Sef stürmten sie zu jenem Baum, um das Wunder mit eigenen Augen zu sehen. Keiner glaubte so recht, was die beiden berichteten. Diese Minuten benutzte Michel dazu, wieder zu laden. Den sechsten Schuß hatte er sich für alle Fälle ohnehin aufgespart.
Als die Leute zurückkamen, ließen sie den Pfeifer nicht mehr aus den Augen. Abu Sef gab seine Skepsis auf. Auch wenn er nicht zu dem Baum gegangen war, glaubte er, was neun Augenpaare gesehen hatten.
Er dachte nach, weshalb der Prophet wohl gerade ihn in die Arme dieses Rachegeistes getrieben hatte. Aber er gab noch nicht auf.
»Was willst du von mir?« »Du wirst die Sklaven freigeben.«
»Bei Allah, daß ich verrückt wäre! — Es sind doch keine Menschen. Soll ich sie freigeben, damit sie ein anderer holt und sein Geschäft macht?«
»Es wird nicht mehr lange dauern, und es wird niemand mehr Geschäfte mit Sklaven machen.« »Das glaube ich nicht.«
»Von mir aus kannst du glauben, was du willst. Du gibst sie also nicht gutwillig frei?« Abu Sef zog es vor, diese Frage vorläufig noch unbeantwortet zu lassen.
»Ich denke«, sagte er, »du bist ein Gelehrter, der die Berge mit dem ewigen Schnee sucht ! Als wir uns am Hafen trafen, sagtest du es wenigstens !«
»Das stimmt«, sagte Michel. »Ich bin ein Gelehrter, handle aber zugleich im Auftrag Allahs, der nicht will, daß seine schwarzen Kinder behandelt werden, als seien sie keine Menschen.« »Sie sind keine Gläubigen. Was kann Allah liegen an Ungläubigen?«
Sollte sich Michel in ein Streitgespräch mit diesem selbstherrlichen Scheich einlassen? Nein. Es würde zu nichts führen, wenn er es täte. Deshalb sagte er einfach:
»Ich weiß es nicht. Ich kann ihn auch nicht fragen. Sein Befehl genügt mir, und ich handle danach.«
»Aber ich lasse mir von dir nichts befehlen! Du bist ja selbst kein Rechtgläubiger. Weshalb schickt Allah nicht wenigstens einen Muslim als Rachegeist?«
»Ich habe ihn nicht gefragt.« Michel war noch immer ernsthaft. Er hatte die Vorstellung, daß er die armen Neger vielleicht doch gewaltlos befreien könnte. »Allahs Wege sind oft wunderbar. Wir Menschen wissen sie nicht zu erklären.«
»Es ist kein Gott außer Allah«, murmelte der Anführer, »und Mohammed ist der Gesandte Allahs.«
»Allah akbar — Gott ist groß«, schloß sich Michel an. »Nun laß die Sklaven frei.« Abu Sefs Gesicht war plötzlich wieder verhärtet.
»Nein«, sagte er. Dann fügte er nach einer Weile schlau hinzu: »Ich will erst den Mullah in Sansibar fragen. Dann ist noch immer Zeit, sie freizugeben.«
Er glaubte, mit diesem Schachzug Michels Wunsch umgehen zu können. Zweifellos kam er sich
dabei sehr listig vor.
Doch der Pfeifer entgegnete mit eisiger Miene :
»Du wirst Sansibar nicht mehr lebend erreichen! Wir werden jetzt das unnütze Verhandeln abbrechen. Du wirstdie Sklaven ohnehin nur noch ein paar Stunden lang weitertreiben können.« »Was soll das heißen?«
»Daß du froh sein wirst, Sansibar überhaupt noch einmal wiederzusehen, woran ich allerdings Zweifel hege.«
»Du bist ein Aufschneider. Ich lasse mich von einem Possenreißer, der ein paar Zauberstückchen vorführen kann, nicht einschüchtern!«
»La ilaha ila Allahu wa Mohammad rasul al-mahdi!« sagte Michel ernst und gab seinem Pferde die Sporen.
Wäre Abu Sef nicht im letzten Augenblick zur Seite gesprungen, so hätten ihn die drei wie im Sturmwind überritten.
Sie schossen dahin, daß die anderen gar nicht auf den Gedanken kamen, zu schießen. Erst, als sie
schon fast außer Schußweite waren, kreischte Abu Sef :
»Schießt sie aus dem Sattel! So schießt doch!«
Einige der Mutigsten nahmen die Gewehre hoch und drückten ab. Aber die Kugeln rissen lauter
kleine Löcher in die Luft.
Nur Tscham wandte sich erschrocken
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