Die Schatzhöhle
einen Neger abzurichten als einen Affen.
Michels Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
»Ich will deinen Kaffee nicht. Ich rauche auch nicht deinen schlechten Tabak!«
Das war eine Beleidigung, die man normalerweise nur durch Blut wieder gutmachen konnte. Abu Sef sprang dann auch auf und stand starr. Als er sich das, was der Fremde gesagt hatte, noch einmal vergegenwärtigte, fuhr seine Hand zur Burnusschärpe und umklammerte den Messerknauf.
»Hund!« schrie er. »Weißt du überhaupt, was du da gesagt hast?« Michel blieb ruhig und nickte.
»Du bist eine gefährliche Schlange, die man zertreten sollte«, sagte er ungerührt. »Du fängst Menschen und spannst sie in deine Leitern! Du reißt Familien ausein
ander und verkaufst sie ! Du mordest die Schwachen und läßt sie den Hyänen zum Fraß! Du stiehlst die Starken und nimmst ihnen die Kraft! Du bist eine schlimmere Bestie als alle wilden Tiere des Urwalds!«
Abu Sef, der alles erwartet hatte, nur nicht eine solche Strafpredigt, wußte darauf nicht gleich etwas zu erwidern. Er, dessen Schatz an Schimpfworten sonst unerschöpflich schien, konnte gegen eine solche Zornrede keine Argumente hervorbringen.
Und in dem Fremden war etwas Gebietendes, dem er sich nicht entziehen konnte.
»Was hast du darauf zu antworten?« fragte Michel.
»Ich - ich - bei Allah - ich -«
»Rufe nicht den Namen Allahs an! Allah will nicht, daß der eine Mensch dem ändern Böses tut.« »Aber — aber — woher weißt du das? Du tust, als seiest du der Prophet!«
»Ich bin nicht der Prophet; aber ein vom Propheten zur Erde gesandter Rachegeist. Und ich sage dir, bevor noch drei Tage vergangen sind, werden alle deine Männer und du selbst verdorben sein!«
»Willst du uns vielleicht töten?« fragte Abu Sef. Er erhielt langsam seine Fassung wieder. »Ich töte nicht.«
»So, dann bin ich beruhigt, du Geist der Rache! Nun eile, daß du fortkommst, sonst drehen wir
den Spieß um und töten dich.«
»Alberner Schwätzer!«
Abu Sef kochte jetzt vor Zorn.
»Warte!« schrie er. »Ich werde dir beweisen, daß ich kein Schwätzer bin.«
Er riß das Krummesser aus dem Gürtel und zückte esgegen den immer noch zu Pferde sitzenden Pfeifer. Ehe er sichs versah, traf ihn Michels Fußspitze am Kinn. Er fiel zusammen wie ein Mehlsack und hielt sich stöhnend das Gesicht.
Jetzt nahmen die anderen, die längst einen Kreis um die drei gebildet hatten, eine drohende
Haltung an.
Abu Sef hatte sich schnell wieder erholt und schrie nun:
»Packt ihn, den Schejtan! Ich werde ihn auspeitschen!«
Sie drangen auf den Pfeifer ein.
Von dessen Lippen kamen einige Triller und ein paar schrille, schnelle Kadenzen. Die Araber stutzten. Ojo brauchte nicht erst einzugreifen, obwohl er schon sein Gewehr beim Lauf gepackt hielt.
»Gebt acht, Burschen«, rief Michel. »Euer Anführer drohte mir mit dem Tod. Ich will euch
zeigen, daß mir hundert von eurer Sorte nicht gewachsen sind! Seht ihr den dünnen Baum dort
am Rand des Waldes?«
Aller Augen folgten seiner ausgestreckten Hand.
»Nun, so gebt gut acht! In weniger als einer halben Minute werdet ihr fünf Löcher darin finden, die ich hineinschieße.«
Die Sklavenjäger sahen einander an. Man erkannte deutlich, daß sie sich nur mit Mühe das Lachen verbissen. Aber sie waren sportlich genug, um dieses Spiel zur Ausführung kommen zu lassen. Verprügeln konnten sie den Frechling dann immer noch.
»Hahaha!« lachte Abu Sef. »Du mußt wirklich verrückt sein, wenn du uns mit solchem Unsinn schrecken willst.«
Michel riß die Villaverdische Muskete an die Wange, drückte ab, schob blitzschnell den Laufkranz weiter, drückte wieder ab und jagte die fünf Schüsse in ganz kurzen Abständen hinaus.
Zuerst herrschte Totenstille. Dann traten die Araber zurück und starrten mit erschrockenen Augen auf das Gewehr.
»Geht hin und seht nach, ob ich die Wahrheit gesprochen habe!« Keiner rührte sich vom Fleck.
»So geht doch«, rief Abu Sef eifrig. »Er wird uns ein chinesisches Feuerwerk vorgemacht haben! Da gibt es solche Dinger, die noch öfter als fünfmal knallen. Aber sie sind ungefährlich. Es kommt keine Kugel dabei heraus.«
»Und wenn nun doch Kugeln kommen?« fragte unsicher einer der Umstehenden. »Dann werdet ihr die Löcher im Baum finden.«
»Und wenn er auf uns schießt, während wir die Löcher suchen?«
»Ich töte nicht«, sagte Michel, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich werde während der nächsten Minuten das Gewehr nicht anlegen.«
Die
Weitere Kostenlose Bücher