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Die Scheune (German Edition)

Die Scheune (German Edition)

Titel: Die Scheune (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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hatte Berge von Arbeit zu erledigen, darunter auch Danes Entlassungsbericht.
    Der Duft von saftigem Gras verbreitete sich in der Eingangshalle, und das erste Sonnenlicht flutete hinein. Sie legte ihre Tasche auf die Theke, hinter der sie täglich saß und taxierte die Halle auf Ordnung und Reinlichkeit. Die Mülleimer und die Aschenbecher waren geleert und die Sitzmöglichkeiten exakt in Stellung – auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sah sie mich. Ich passte nicht in ihr morgendliches Inspektionsbild, und eine Art Wut stieg in ihr auf. Ungläubig kam sie näher und betrachtete mich eingehend.
    Da ich durch das Öffnen der Türen nicht wach geworden war, wurde ich es auch nicht, als sie schon eine geraume Zeit vor mir stand und mich betrachtete. Sie holte tief Luft und sagte laut und spitz: „Dr. Clark!!“
    Ich war schon viele Wecktechniken in meinem Leben gewohnt, doch das übertraf alles. Ich wusste nicht wie, aber ich schlug mit samt dem gekippten Sofa so stark auf dem Boden auf, dass ich im ersten Moment die Orientierung verlor. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe ich zu mir kam. Schmerzgebeugt rappelte ich mich in voller Größe vor Mrs. Buit auf und sah sie an. Erst dann spürte ich eine tiefe Demütigung in mir aufsteigen. Ich hatte sie wegen ihrer fehlenden Brille zuerst nicht erkannt, aber dann sagte ich: „Oh, Mrs. Buit. Sie schon da?“ Ich suchte hastig nach Worten und Kissen. Worte fand ich keine, aber Kissen, die ich beschämend vor meine Shorts hielt. „Entschuldigen Sie, aber oben war ...“ Ich überlegte. Was war denn oben?
    „Guten Morgen“, grüßte ich sie noch schnell und verschwand eilig im Aufzug, bevor die Patienten und vor allem Dr. Roosevelt hier aufkreuzten.
     
    Als ich mein Zimmer betrat, war es leer. Der Kimono war verschwunden, aber auch Dane und Sarah. Meine Kleidung, die ich in der Nacht achtlos auf den Boden geworfen hatte, lag sortiert auf meinem Bett. Ich hörte die Dusche. Dane.
    Das war's also, dachte ich. Was für eine Geschichte! Mit den Papieren ging es wieder heimwärts nach Los Angeles. Gott, war ich froh!
    Die Dusche verstummte. Dane lugte durch den Türritz und rubbelte in seinem Haar herum. „Guten Morgen!“, rief er. „Es tut mir leid wegen heute Nacht. Ich ...“
    „Ist schon in Ordnung, Dane“, sagte ich und lächelte ihn an. Er lächelte zurück. „Danke.“
    Mehr Worte wollten wir dem nächtlichen Missverständnis nicht schenken. Irgendwie war es plötzlich wie früher.
     
    Das letzte Frühstück nahmen wir gemeinsam ein. Dane wirkte sehr unruhig. Er war ungesprächig und aggressiv. Das irritierte mich, denn ich dachte, dass er froh wäre, endlich wieder nach Hause zu kommen. Doch das war es nicht. Irgendetwas beschäftigte ihn auf eine unangenehme Art und Weise. Sarah konnte es nicht sein. Sie hätte nicht diese Aggression in ihm ausgelöst, eher Traurigkeit.
    Nach dem Frühstück beschlossen wir, oder besser, beschloss ich, uns für die Heimfahrt fertig zu machen. Es war kurz vor zehn, und die Patienten trafen sich zur Therapie.
    Sarah hatte sich an diesem Morgen nicht sehen lassen. Sie und Dane hatten es in der Nacht so abgesprochen.
    Die Zeit drängte – ich drängte. Danes Unruhe wurde stärker. Dann mischte sich Wut dazu. Heute weiß ich, was seine Unruhe ausgelöst hat .
     
    Ich weiß nicht, wie ich die Abreise noch hinauszögern kann!, schrie Dane. Alles geht zu schnell.
    Warte, flüsterte das Loch.
    Nur warten?
    Nur warten.
     
    Während ich nach oben ging, um unsere Koffer zu holen, ging Dane zu Mrs. Buit. Er wollte eine Nachricht für Sarah hinterlassen.
    Dane fiel sofort die Unruhe im Gruppenraum auf. Die Therapie hätte eigentlich schon beginnen müssen, aber Dr. Roosevelt war noch nicht anwesend. Eine Tatsache, die Dane erst nicht glauben konnte, denn er kannte Roosevelts Pünktlichkeit. Kopfschüttelnd ging er zu Mrs. Buit. Sie reichte ihm freundlich einen Zettel. Dane lächelte sie an. Ihn überkam plötzlich ein flaues Gefühl im Magen. Es ließ ihn kaum atmen. Es lag ein Geruch in der Luft, der ihn ekelte. Ein Hauch von Geruch. Dann hörte er aus Roosevelts Zimmer ein unbeherrschtes Streitgespräch.
    Dane schüttelte den Kopf und sammelte seine Gedanken wieder für Sarah.
    Ein starker Luftzug unterbrach nochmals seine Gedanken. Jemand hatte Roosevelts Tür gewaltsam von innen aufgerissen. Dane zuckte erschrocken zusammen und sah auf das leere Blatt, auf dem er immer noch nichts für Sarah geschrieben hatte. Er konnte sich

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