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Die Schicksalsleserin

Titel: Die Schicksalsleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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herein. Die Kodrei Goldberg hatte Plünderern nichts zu bieten - doch woher sollten das die Osmanen wissen? Madelin fühlte sich mit der geladenen Büchse weitaus sicherer als ohne.
    Als kurz darauf ein neuerliches Geräusch von der Vordertür hereindrang, zuckte die Wahrsagerin zusammen. Sie war froh, dass die Fensterläden zur Straße hin geschlossen waren. Hatte das Licht aus der Stube, das zwischen den Ritzen hindurchschien, Diebe angelockt? Sie griff mit zitternden Händen nach
der Arkebuse. Die Waffe entglitt ihr beinahe, dann öffnete sie die Abdeckung der Pulverpfanne, um schussbereit zu sein.
    Als die Tür in den schmalen Hausflur aufgerissen wurde, schwang Madelin die schwere Waffe herum. Sie taumelte unter dem Gewicht von Holz und Stahl, dann richtete sie die Büchse auf die Tür zur Stube, durch die der Eindringling kommen musste. Ihre Arme bebten, lange konnte sie die Waffe so nicht halten …
    »Madelin?«
    Das war Lucas’ Stimme. Vor Schreck zog Madelin die Waffe seitwärts nach unten. Gleichzeitig geriet sie an den Abzugshaken, und die Lunte wurde nach vorne auf die Pfanne geschnellt. Die Wahrsagerin schrie vor Schreck, als das Pulver zündete und die Arkebuse mit einem ohrenbetäubenden Krachen feuerte. Der Rückstoß ließ sie stolpern und schleuderte das Gerät zu Boden.
    »Bist du verletzt?«
    »Nichts passiert!«, beteuerte Lucas. »Nichts passiert.«
    Erleichtert atmete Madelin aus, legte die eine Hand auf die Brust und stützte sich mit der anderen auf den Tisch, denn ihre Beine waren weich geworden. Lucas ging zu der rauchenden Arkebuse, hob sie auf und legte sie auf den Tisch zurück.
    »Ich dachte, du wärst ein Osmane«, murmelte Madelin.
    »Du hast es ja noch rechtzeitig gemerkt«, sagte er.
    Täuschte Madelin sich, oder wirkte er im Licht der Kerze bleich? Er sah schlimm aus - offenbar hatte er sich seit Tagen nicht rasiert -, tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. Dann erkannte Madelin den Widerstreit der Gefühle auf seinen Zügen. Von der Verschlossenheit, die darin bei ihrer letzten Begegnung gestanden hatte, fand sich keine Spur mehr. An ihrer Stelle standen Trauer,Verzweiflung und Wut. Die Knöchel einer Hand waren blutverkrustet, die Beinkleider voll Erde.

    »Was ist passiert?«
    »Ich …«, er stockte. »Ich musste wissen, dass es wenigstens dir gutgeht.«
    Erst nickte sie erleichtert, dann runzelte sie die Stirn. »Wenigstens?«
    »Hofer ist tot.« Lucas hatte ihr von den Feindseligkeiten zwischen ihm und dem Zimmermann erzählt. Und doch schien ihn dessen Tod zu betrüben. »Er … ich habe es nicht gewusst, aber er hat seit dem Tod meines Vaters die Hand über mich gehalten und mich gefördert.«
    »Warum das denn?«, fragte Madelin.
    »Er hat meinen Vater getötet.«
    »Das ist …« Madelin wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. »Fühlte er sich schuldig?«
    »Ja, ich denke schon.« Er räusperte sich. »Er hat meinen Vater getötet, und doch fühlt es sich jetzt beinahe an, als hätte ich einen verloren. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan und gegrübelt, um in all dem einen Sinn zu finden.«
    »Und?«, fragte Madelin mitfühlend.
    Lucas schüttelte finster den Kopf. »Ich habe keinen entdeckt.«
    »Nein«, stimmte sie zu. »Manche Dinge ergeben keinen Sinn.«
    »Ich habe aber etwas anderes erkannt.« Er trat näher, in seiner Miene lag ein Widerspiel verschiedenster Gefühle. »Ich habe erkannt, dass Menschen Fehler machen.« Sie wollte etwas entgegnen, doch er ließ sie nicht zu Worte kommen. »Ich wünschte, du hättest mir wegen des Spiels vertraut. Aber mir ist klargeworden, dass ich es vermutlich auch an den Feind gegeben hätte, wenn man mich erpresst hätte.« Er sah ihr in die Augen. »Zum Beispiel mit deinem Leben.«
    Sie sah ihn unsicher an. »Was bedeutet das?«
    »Das heißt, dass ich dich nicht verlieren will.« Lucas nahm ihre Hand und zog sie in seine Arme.

    Sie schloss dankbar die Augen und lehnte sich an ihn. Erst spürte sie Lucas’ Atem an ihrem Hals, dann seine Lippen. Seine Hand wühlte sich in ihr Haar und liebkoste ihren Nacken, die andere umfasste ihre Taille und ruhte dort einfach, warm und fest. »Ich dachte schon, du würdest mich hassen«, murmelte sie.
    »Ich könnte dich nicht hassen, selbst wenn ich wollte, Madelin.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn durch einen Schleier aus Tränen an. Sie war so erleichtert, ihn zu sehen, im Arm zu halten, dass sie nicht sprechen konnte. Dann lächelte sie. Ihre Lippen fanden seine und

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