Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Einige waren ganz verschwunden. Was war aus ihnen geworden? Wahrscheinlich waren sie die Opfer einer Schlägerei oder eines Unglücksfalles geworden. Viele Familien beklagten daher den Verlust eines Vaters, eines Sohnes, eines Brudes oder eines Gatten.
Der Wohlstand der Insel war bedeutend zurückgegangen Noch litt man nicht Mangel am Nötigsten, aber die Preise waren auf das Drei-bis Vierfache gestiegen.
Die Armen empfanden diese Teuerung am meisten. Die Anstrengungen des Kawdjer, welcher ihnen Beschäftigung verschaffen wollte, fruchteten wenig. Es herrschte allgemeiner Stillstand in allen Arbeiten, niemand wagte etwas zu unternehmen. Der Säckel des Staates war auch geleert, folglich konnte auch von öffentlichen Arbeiten keine Rede sein. Welch ironische Folge der Entdeckung des Goldes! Seitdem sich Gold im Boden der Insel gefunden, fehlte es dem Staat am nötigen Golde!
Woher es nehmen? Es flossen keine Gelder in die Staatskassen und das persönliche Vermögen des Kawdjer war bald erschöpft. Schon während des Sommers hatte er viel Geld gebraucht, daß die Arbeiten am Kap Hoorn weitergeführt werden konnten; es war ihm sogar recht schwer gefallen, denn das Goldfieber hatte auch die Arbeiter ergriffen, die er zum Bau des Leuchtturmes verwendete. Dieser Umstand verlangsamte den Fortschritt der Arbeiten; das Gebäude hatte im April 1892, acht Monate nach dem ersten Spatenstich, erst die Höhe eines Stockwerkes erreicht und hätte nach allen Berechnungen schon beendet sein müssen.
Unter den zwanzig Hostelianern, denen das Handwerk des Goldgrabens Glück gebracht hatte, befand sich Kennedy, der ehemalige Matrose des »Jonathan«, welcher sich durch einen glücklichen Spatenstich in einen Nabob verwandelt hatte und sich und seine Reichtümer von allen bewundern ließ.
Wieviel er gewonnen hatte, wußte niemand zu sagen, vielleicht er selbst am wenigsten, denn es ist nicht gewiß, daß er in der, Zählkunst sehr bewandert war. Aber viel mußte es sein, das ließ sich aus seinen Ausgaben schließen. Er streute das Gold mit vollen Händen aus, nicht gemünztes Gold, das in den zivilisierten Ländern seinen bestimmten Wert hat, sondern kleine Goldkörner, mit denen er reichlich versehen war.
Er kam sich jetzt sehr wichtig vor; er hielt peremptorische Reden, imitierte den Milliardär und verkündete, daß er demnächst die Stadt verlassen wolle, wo er nicht ein seinem Vermögensstand angemessenes Leben führen könne.
Ebensowenig wie den Umfang kannte jemand die Herkunft dieses Vermögens und niemand kannte die Stelle, wo er sein Glück gefunden hatte. Wenn man ihn darum befragte, tat er sehr geheimnisvoll und gab ausweichende Antworten. Trotzdem hatte man ihn während des Sommers begegnet. Einige Liberier hatten ihn gesehen, nicht bei der Arbeit, sondern beim Spazierengehen. Mit den Händen in den Taschen schlenderte er müßig herum.
Diese Begegnung hatten sie nicht vergessen können, denn sie traf mit einem großen Unglück zusammen, das viele unter ihnen betroffen. Wenige Stunden oder Tage, nachdem Kennedy sichtbar geworden war, war das von ihnen gegrabene Gold gestohlen worden und der Schuldige war nicht zu entdecken gewesen. Als die Bestohlenen zusammenkamen und sich besprachen, mußte das Zusammentreffen der Umstände – das Auftauchen Kennedys in der Nähe der Placers und das Verschwinden des Goldes – ihnen auffallen und es richtete sich ihr Argwohn auf den ehemaligen Matrosen.
Dort wurden die Leute mit Booten aus Land gebracht. (S. 470.)
Dieser kümmerte sich nicht darum und fuhr fort, herrlich und in Freuden zu leben. Er redete viel und gebärdete sich als Krösus und sein freches Auftreten imponierte den Liberiern. Trotzdem alle wußten, was er wert war, zollte man ihm eine gewisse Achtung, er hatte Anhänger und fühlte sich als wichtige Persönlichkeit.
Der Kawdjer war ganz verzweifelt und entschloß sich zu einem Gewaltakt. Kennedy und Konsorten kümmerten sich einfach nicht um die Gesetze. Solange man dem Aufruhr nicht gewachsen war, mußte alles schweigend ertragen werden. Jetzt war man wieder im Besitze der Macht und mußte sie gebrauchen. Die im Winter vertriebenen Kolonisten waren heimgekehrt und hatten, von dem schlechten Erfolg ihrer Goldgräberei gewitzigt, ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Die Bürgergarde war wieder eingeführt und die Männer, welche sie bildeten, schienen vom besten Geiste beseelt.
Eines Morgens – nichts hatte die Interessenten vor dem Schlag gewarnt, der
Weitere Kostenlose Bücher