Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«
Magalhães-Archipels nimmt die Insel Hoste bezüglich ihrer Größe eine bevorzugte Stellung ein. Sie wird auf fünfzig Kilometer Breitenausdehnung geschätzt, während sie in der Länge deren mehr als hundert mißt, wobei die Halbinsel Hardy nicht mitgerechnet ist, die sich in der Form eines krummen Säbels acht bis zehn Meilen weit nach Südwesten vorstreckt und deren Spitze den Namen »Falsches Kap Hoorn« trägt.
Im Osten dieser Halbinsel, an einer enormen Granitwand, welche die Orange-Bai von der Scotchwell-Bucht trennt, war der »Jonathan« gescheitert. –
Finstere Klippen tauchten beim Morgengrauen aus den Frühnebeln empor, die aber bald von den letzten Seufzern des ersterbenden Windes vertrieben wurden. Da lag der »Jonathan« am Fuße eines Vorgebirges, dessen Kamm von einer spitzen Erhebung gekrönt wurde, die steil zum Meere abfiel und an deren Fuß sich ein Wirrsal schwarzer Steinblöcke drohend aus den schäumenden Wassern hob. Ein schlammiger Überzug von Meeralgen und Seetang bedeckte die Felsen, zwischen denen stellenweise ein seiner, feuchter Sand sichtbar wurde. Dieser setzt sich aus einer unzählbaren Menge winziger Muscheltiere und Schnecken zusammen, die auf den Geländen des Magalhães-Archipels so häufig vorkommen, wie Tritonshörner, Käfer-, Bohr-und Napfmuscheln, Trompetenschnecken, Schraubenmuscheln, Wirbelspaltschnecken, Kammuscheln, die schöne Venus-, die magellanische Miesmuschel und viele andere.
Bei oberflächlicher Betrachtung bot die Insel Hoste jedenfalls keinen sehr gastfreundlichen Anblick.
Kaum konnten die Schiffbrüchigen mit zunehmendem Tageslicht die Umgebung, die Umrisse der Küste erkennen, als sie sich der Mehrzahl nach auf die Klippen niedergleiten ließen, in dem begreiflichen Bestreben, wieder festen Boden unter den Füßen zu fühlen.
Es wäre ein vergebliches Beginnen gewesen, sie zurückhalten zu wollen. Ihre unsinnige Hast, das Festland zu betreten, war nach der Todesangst der letzten Nacht leicht begreiflich. Viele begannen die Spitze zu erklimmen, in der Hoffnung, von der Höhe aus ein ausgedehntes Stück Land zu erblicken; einige aus der Menge der Gestrandeten entfernten sich vom Schiffe, um der Südküste der Landspitze entlang zu wandern, während andere am nördlichen Ufer auf Entdeckungen ausgingen; die meisten aber blieben an der Unglücksstelle zurück, in stummer Betrachtung des gestrandeten »Jonathan« versunken.
Der vernünftigste Teil der Emigranten, welche sich nicht vom ersten Impuls hinreißen ließen, blieb an Bord; ihre Blicke hingen an dem Kawdjer, als erwarteten sie aus dem Munde dieses Unbekannten, dessem Eingreifen sie ihr Leben zu danken hatten, weitere Befehle.
Da er aber nicht gewillt schien, sein Gespräch mit dem Hochbootsmann zu unterbrechen, löste sich endlich einer der Auswanderer von einer aus vier Personen – zwei davon waren Frauen – gebildeten Gruppe los und trat auf die Sprechenden zu. Er mochte ungefähr fünfzig Jahre zählen; an seinem Gesichtsausdruck, seinem Gang, seiner Haltung, an tausend Kleinigkeiten und dennoch untrüglichen Anzeichen erkannte man in ihm auf den ersten Blick den gebildeten Mann, welcher unzweifelhaft eine höhere Lebensstellung bekleidet und in anderen Kreisen verkehrt haben mußte, als diejenigen es waren, in welche ihn jetzt eine Laune des Schicksals hineingeweht hatte.
»Mein Herr, sprach er den Kawdjer an, gestatten Sie mir vor allem, Ihnen meinen Dank auszusprechen. Sie haben uns vor dem sicheren Tode errettet. Ohne Sie und Ihre Gefährten wären wir unvermeidlich verloren gewesen.«
Die Stimme, jede Miene, jede Gebärde dieses Reisenden stellten ihm das Zeugnis aus, ein offener, ehrlicher Charakter zu sein. Mit großer Herzlichkeit drückte der Kawdjer die Hand, die ihm in so entgegenkommender Weise geboten wurde und sagte in englischer Sprache, von der auch der Fremde Gebrauch gemacht hatte:
»Wir freuen uns aufrichtig, mein Freund Karroly und ich, daß es uns, dank unserer genauen Kenntnis dieser Wasserstraßen, ermöglicht wurde, eine so gräßliche Katastrophe zu verhüten.
– Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle: ich bin Emigrant und heiße Harry Rhodes und dort stehen meine Frau, meine Tochter und mein Sohn, sagte der Reisende und bezeichnete die drei Personen, mit denen er gesprochen hatte, ehe er zu dem Kawdjer getreten war.
– Mein Gefährte, erwiderte der Kawdjer, seinerseits vorstellend, ist der Lotse Karroly und dies ist sein Sohn Halg; es sind Feuerländer, wie
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