Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
verschwindend kleine Gruppe, die aber stark genannt werden konnte durch die Einigkeit, die sie beseelte; auch der Beistand und die Gesinnung Dicks und Sands waren durchaus nicht zu unterschätzen.
    Vorläufig dachte man nicht daran, den guten Willen der beiden Knaben auf die Probe zu stellen. Ihr jugendliches Alter schloß sie vom Wachtdienste aus, sie erfreuten sich unbeschränkter Freiheit, die sie benützten, sich nach Herzenslust zu belustigen. Die auf der Insel Hoste verbrachte Zeit bildete einen abgeschlossenen Lebensabschnitt in ihrem jugendlichen Dasein und blieb für sie wohl eine Zeit schönster Erinnerungen und steter Vergnügungen aller Art. Sie wechselten je nach den Umständen mit ihren Belustigungen ab. Wenn der Schnee in dichten Flocken zu Boden fiel, dann gruben sie darin Verstecke aus, in denen es sich herrlich spielen ließ; fiel die Temperatur unter den Gefrierpunkt herab, dann war die Zeit des Schleifens auf den gefrorenen Flächen gekommen oder sie setzten sich rittlings auf ein Brett, das als Schlitten diente, sausten damit die Abhänge hinunter und jubelten laut, wenn sie auf dieser windesschnellen Fahrt zu Fall kamen Wenn wieder die Sonne am Himmel erstrahlte, dann verbanden sie sich mit anderen Altersgenossen, tummelten sich in der Umgebung des Lagers und erfanden stets neue Spiele, die ihnen um so mehr Unterhaltung und Befriedigung boten, je wilder sie waren.
    Eines Tages, als sie mit drei oder vier Kindern am Meerufer tollten, ließ sie der Zufall eine natürliche Grotte entdecken, welche in den Klippen eingesprengt war, im Rücken des Vorgebirges, das im Osten die Scotchwell-Bai begrenzte. Diese Grotte, deren Eingang gegen Süden gerichtet war, und die infolgedessen gegenüber der Stelle lag, an der der »Jonathan« gescheitert war, lenkte sofort das Augenmerk der Knaben durch eine Eigentümlichkeit auf sich, welche sie besonders interessant machte. Eine Spalte öffnete sich in der einen Höhlenwand, die sich zwei bis drei Meter weit fortzog und dann zu einer zweiten, ganz unterirdischen Höhle erweiterte, von der eine gekrümmte Galerie längs der Felswand zu einer anderen, höhergelegenen Grotte führte, die nach dem Nordabhang der Klippe eine Öffnung zeigt. Von hier aus war das Lager zu übersehen und man konnte dahin gelangen, wenn man sich den felsigen Abhang hinabgleiten ließ.
    Diese Entdeckung erfüllte die Herzen der kleinen Forscher mit Jubel. Sie hüteten sich, davon etwas verlauten zu lassen. Dieser Kranz von Grotten war ihr Reich, ihr alleiniges Eigentum, dessen Besitz sie in schweigendem Entzücken genossen. In größter Heimlichkeit begaben sie sich dahin, um dort ihre Spiele abzuhalten. Bald waren sie wilde Indianer, dann stellten sie Robinson vor, ein anderes Mal spielten sie wieder Räuber – alles mit der gleichen Begeisterung. Die unterirdischen Gewölbe widerhallten von ihren fröhlichen Rufen und die Galerie, welche die beiden Stockwerke verband, erdröhnte unter den Schritten der spielenden Kinder.
    Das Passieren dieser Galerie war durchaus nicht gefahrlos. An einer Stelle war sie dem Einsturz nahe, hier war die höchstens einen Meter hohe Decke nur durch einen einzigen Stein festgehalten, dessen Basis auf einem anderen, geneigten Felsblock ruhte. Die geringste Kraftäußerung hätte ihn aus seiner Lage zu bringen vermocht. Daraus folgerte die Notwendigkeit, sich mit äußerster Vorsicht und nur auf den Knien rutschend in dem schmalen Raum zwischen dem Stützblock und der Mauer der Galerie fortzubewegen. Aber so groß die Gefahr auch in Wirklichkeit war, sie erschreckte die Kinder nicht, vielmehr erhöhte sie den Reiz ihrer Spiele.
    So brachten Dick und Sand fröhlich ihre Zeit hin. Sie kümmerten sich um nichts, auch nicht um ihren Feind, Fred Moore, welchen sie manchmal von ferne erblickten und vor dem sie ohne alle falsche Scham die Flucht ergriffen. Übrigens verfolgte sie der Emigrant nicht mehr. Sein Zorn hatte sich gelegt und seine Rachegedanken sparte er für jemand anderen auf.
    Jedenfalls kümmerten sich die Kinder nicht um Fred Moore und seine Rachegefühle; sie lebten nur für ihre Spiele und sie bedauerten lebhaft die kurze Dauer der Tage.
    Wenn man eine diesbezügliche Anfrage an die Emigranten gestellt haben würde, wären Dick und Sand wohl die einzigen Verfechter dieses Standpunktes gewesen. Wenn ihnen die Zeit zu kurz däuchte, wurde sie den anderen zu lang in ihren engen Behausungen.
    Natürlich sind Lewis Dorick samt Konsorten auszunehmen.

Weitere Kostenlose Bücher