Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
es auch sein mochte, um einem Traum nachzugeben – dem Traum, als Dichter zu leben.
Dichter sein ist mein Schicksal. Es ist viel mehr als ein Traum; es ist Vorsehung.
Sein Vater hatte versucht, ihn davon abzubringen. Hatte ihn beschworen, seine hochfliegenden Ziele für eine bürgerliche und dem württembergischen Herzog genehme Existenz aufzugeben. Liebster Sohn, hier in Deutschland ist ein Theaterdichter eben immerhin noch ein kleines Licht. Die Arzneikunst wird dir ein weit sichereres Einkommen und nicht weniger Reputation verschaffen. Vielleicht wäre dem so gewesen, wenn er ein Arzt aus Leidenschaft gewesen wäre. Wenn es nicht die Idee des Herzogs gewesen wäre, aus dem Eleven Schiller zuerst einen Juristen, dann einen Mediziner zu machen. Nur mit Widerwillen hatte er das Studium betrieben, und er konnte von Glück sagen, dass ihm keiner seiner bedauernswerten Patienten unter den Händen weggestorben war. Ein deutliches Indiz für die Zähigkeit der Soldaten im Regiment von General Augé …
Nein, damit konnte er sein Leben nicht verschwenden. Dazu war ihm sein Talent, die Macht seiner Worte, nicht geschenkt worden. Dafür galt es, alles zu wagen – und alles zu gewinnen …
Der Rat des Vaters ist sicherlich klug – und doch ist es der falsche. Schiller hat sich längst entschieden. Für einen anderen Weg, als ihn der Vater vorgezeichnet hat. Denn wo der Vater die Möglichkeiten sieht, innerhalb eines arg umgrenzten Umfeldes aufzusteigen, sieht Friedrich Schiller nur das Enge, das Bedrückende. In einem solchen Umfeld kann und will er nicht Karriere machen. Und schon gar nicht im ungeliebten Beruf als Arzt.
Kurzfristig ist der Rat des sorgenden Vaters sicherlich richtig, auf lange Sicht ist es jedoch die Entscheidung Schillers. Er weiß: Die ihm vorgegebene Karriere wird ihn niemals ausfüllen. Schreiben ist sein Leben – und genau das kann er im vorgegebenen Beruf gerade nicht, darf er auf Befehl des Herzogs nicht mehr. Aber Schiller will, modern gesprochen, „sein Ding machen“. Und das kann er eben nicht in der Heimat, nicht in den Diensten des Herzogs. Um Erfolg zu haben, muss er fortgehen. Auch wenn es den Bruch mit den Eltern, mit dem Landesherrn, mit allen Sicherheiten seiner bisherigen Existenz bedeutet …
Es ist der typische Vater-Sohn-Konflikt, der sich hier abspielt. Der Vater will das Beste für seinen Sohn – aus seiner Sicht, seinem Erfahrungshorizont heraus. Dass dieser dem Sohn mittlerweile viel zu eng geworden ist, sieht er nicht, wagt es nicht zu sehen. Gut gemeint ist in diesem Fall nicht gut gemacht. Denn Friedrich Schiller will längst etwas anderes, etwas Größeres, etwas Eigenes. Die Lebenswege der beiden driften auseinander, und der Vater mag es nicht erkennen, stemmt sich mit aller väterlichen Autorität dagegen. Letztlich vergebens. Schiller nabelt sich ab. Und er tut gut daran.
In unserer schnelllebigen Zeit erleben wir täglich, wie rasch das Wissen von gestern veralten kann. Wie geschwind scheinbar unumstößliche Weisheiten zur Makulatur werden. Wie scheinbar sichere Branchen innerhalb weniger Jahre in die Krise geraten können. Wie sich in rasantem Tempo neue Industrien, neue Berufsbilder entwickeln können. Die Chancen, mit einer neuen Technologie, einer neuen Dienstleistung einen raschen beruflichen Erfolg zu erzielen, waren noch nie so gut wie heute. Aber andererseits war auch die Unsicherheit noch nie so groß …
Geplante Berufswege ohne Umwege sind heute eher die Ausnahme, Portfolio-Karrieren und bunt gemusterte Lebensläufe mit diversen beruflichen Stationen und gelegentlichen Brüchen die Regel. Schiller hat diesen Zustand schon 200 Jahre zuvor vorweggenommen – und uns trotz des halsbrecherischen Ungestüms, mit dem er seine Flucht in die Karriere begann, gezeigt, dass ein mutiger Schritt mitunter besser sein kann als das Verharren in alten Denkmustern, in Berufen ohne Zukunft. Natürlich: Ein wenig Phantasie, visionäres Denken und ein kluges Erkennen künftiger Strömungen gehört heute schon dazu. Und womöglich zahlt sich ein drastischer beruflicher Wechsel oder Neuanfang erst in einigen Jahren in klingender Münze aus, wenn überhaupt. Auch Schiller hatte eine extrem lange Durststrecke, ehe er Ansehen, Ruhm und zuletzt auch Geld errungen hat.
Dem Vater hat dies alles nicht behagt. Mit Recht. Wer hat schon gern einen Flüchtling im Ausland, einen Deserteur mit höchst ungewissen beruflichen Aussichten zum Sohn? Welcher Vater würde sich da nicht
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