Die Schiller-Strategie: Die 33 Erfolgsgeheimnisse des Klassikers (German Edition)
befindet, und ihr Marsch durch die Innenstadt wird zu einem für alle sichtbaren Triumphzug für Schiller: Über 500 junge Leute müssen es sein, wird dem neuen Professor zugeraunt. Er kann es nicht verhindern, dass ihm ein stolzes Lächeln übers Gesicht fliegt – das ist über die Hälfte aller in diesem Semester in Jena immatrikulierten Studenten! „Ich zog also durch eine Allee von Zuschauern und Zuhörern ein …“ , erinnert er sich später.
Unter großem Applaus tritt Schiller ans Rednerpult. „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“, lautet sein zweistündiger Vortrag. Ist er zu lang, zu theoretisch? Immer wieder fliegen Schillers Augen durch die Reihen, suchen den Kontakt mit den Studenten. Aber die Sorge ist unbegründet – gespannt saugen die Zuhörer jedes Wort in sich auf, sind fest in seinen Bann gezogen. Schiller kann den Dramatiker nicht verleugnen, und er will es auch gar nicht. Dem kleinlichen und in seiner Auffassung beschränkten „Brotgelehrten“ stellt er den „philosophischen Kopf“ entgegen, und schafft es, die Studenten mit seinem Optimismus und seinem Feuer mitzureißen.
Hinterher wird er begeistert gefeiert. Glücklich schreibt er in einem Brief an Körner: „Meine Vorlesung machte Eindruck, den ganzen Abend hörte man in der Stadt davon reden, und mir widerfuhr eine Aufmerksamkeit von den Studenten, die bey einem neuen Professor das erste Beispiel war … bekam eine Nachtmusik und Vivat wurde 3mal gerufen.“
Welch ein Erfolg für Schiller! Seine Vorlesung ist das Gespräch des Tages, Schiller selbst ist der Mann der Stunde. Mit nur einer einzigen Vorlesung – die im Grunde nicht einmal sein Fachgebiet war – hat er sich geschickt in der Stadt und weit darüber hinaus etabliert. Die Studenten strömen in Scharen, um Schiller zu hören. Der mittellose Dichter ist mit einem Mal ein umschwärmter Professor.
Schiller gibt hier nicht nur ein Paradebeispiel für geschicktes Selbst-Marketing. Er versteht es auch, eine scheinbare Niederlage in einen Sieg zu verwandeln. Denn die große Professorenkarriere startet mit einer herben Enttäuschung. Die Stelle, auf die ihn Goethe gelockt hat, ist, wie sich erst später herausstellt, unbesoldet. Ein reines Ehrenamt, das Schiller mit seiner Person aufwerten soll. Die Universität soll von Schillers Renommee profitieren – und nicht etwa umgekehrt, so das Kalkül. Doch letztlich kommt es anders.
Schiller zeigt uns hier, wie man sein Ehrenamt geschickt als Karriere-Turbo verwenden kann. Aus dem bekannten Dichter wird innerhalb kürzester Zeit auch der angesehene Geschichtsprofessor, dessen historische Schriften weithin hohes Ansehen genießen. Schillers Erfolg ist so groß, dass er zeitweilig erwägt, sich ganz der Geschichtswissenschaft zu verschreiben und die Dichtung aufzugeben. Zum ersten Geschichtsschreiber Deutschlands könnte er aufsteigen, das Ehrenamt könnte zum lukrativen Hauptberuf werden …
Dazu ist es dann doch nicht gekommen – auch, weil der Schriftsteller Schiller schließlich von dem Ruhm als Historiker profitierte. Schillers Beispiel macht deutlich, wie sehr ihm – trotz aller anfänglichen Härten – das Ehrenamt genutzt hat, wie es seinem Ruf förderlich war. Ohne Arbeit, das wird hier deutlich, geht es natürlich nicht ab – damals nicht und heute erst recht nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich beispielsweise um ein Amt im Kirchenvorstand, im Sportverein, im Gemeinderat oder eben um einen Lehrauftrag an der Universität handelt. Jedes Amt, jedes Ehrenamt fordert eine Menge Engagement. Aber es kommt ganz auf einen selbst an, wie viel man von diesem Engagement auch selbst profitiert.
Schiller hat das Beste aus seiner Situation gemacht. Seine Enttäuschung, als er von den Konditionen erfuhr, ist durchaus verständlich (auch wenn man mit Recht einwenden kann, dass er sich besser beizeiten darüber informiert hätte). Aber er hat dann erfolgreich den Spieß herumgedreht. Sogar ein schmales Salär hat er schließlich für seine Arbeit erhalten.
Auch heute noch gibt es viele Gründe, ein nicht oder nur kärglich vergütetes Ehrenamt anzunehmen: Synergieeffekte für den Hauptberuf zählen etwa dazu, die Aussicht auf geschäftliche Kontakte, einen höheren sozialen Status … Die Attraktivität des Professorentitels ist auch heute ungebrochen, selbst wenn es sich dabei um eine Honorarprofessur an einer wenig bekannten Fachhochschule handelt. Auch der „Honorarkonsul“ verheißt
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