Die Schlacht der Trolle
Wlachakin zu viel getrunken hatte. Nichtsdestotrotz setzte sie sich aufrecht hin und hob den Kopf. Sollen sie doch, dachte sie kampflustig. Ich werde mich nicht für meine Trauer entschuldigen. Vielmehr sollten sich die anderen fragen, warum sie nicht von Nemes Viçinia Abschied nehmen.
Angestrengt versuchte sie, sich auf die Fragen zu konzentrieren, die Tamár seinen Soldaten stellte. Es waren seine Späher, die Kunde aus dem Osten brachten.
»Das ist ganz sicher?«, fragte der Masride gerade.
»Ja, Vezét. Marczeg Laszlár Szilas hat Turduj verlassen und zieht gen Westen. Er nutzt die Pfade am Fluss, um seine Truppen zu bewegen.«
»Wie groß ist seine Armee?«
»In Turduj scheinen nur wenige Krieger geblieben zu sein. Der Hauptteil marschiert hierher. Mehrere tausend Fußsoldaten, dazu viele hundert Berittene und schweres Gerät. Der Tross ist sehr lang.«
Einige Augenblicke herrschte Schweigen, während die Anwesenden die neuen Informationen überdachten. Dann erhob sich Ionna.
»Wir sollten aufbrechen und Szilas entgegenziehen. Zwischen Iames und Ylt werden wir ihn stellen, und dort können wir ihn schlagen. Seid Ihr einverstanden, Marczeg?«
Tamár nickte stumm mit grimmiger Miene. Auch die übrigen Anführer und Adligen stimmte dem Vorschlag zu. Während noch die Absprachen getroffen wurden, entfernte sich Flores aus dem Zelt. Der Großteil der Soldaten aus Dabrân war südlich des Magy an die Grenzen kommandiert worden, um dort unter Neagas’ Kommando jegliche Angriffe abzuwehren, und so hatte sie nur wenige Krieger vor Ort, denen sie Befehle geben musste.
Da sie ihr Lager etwas abseits aufgeschlagen hatte, führte ihr Weg sie an den Galgen vorbei, die im leichten Wind leise knarrten. Vier leblose Körper hingen an den festen Stricken. Obwohl Flores schon mehr als einen Toten gesehen hatte, wandte sie von diesen Toten den Kopf ab. Der Anblick der langsam verwesenden Leichen mit den aufgequollenen Gesichtern schlug ihr jedes Mal auf den Magen. Sie konnte sich noch so sehr einreden, dass diese hier es verdient hatten, es blieb ein schauriges Mahnmal. Natürlich hatten Ionna und Tamár genau dies bezweckt, als sie die Masriden und Wlachaken zum Tod durch den Strang verurteilt hatten. Ihr Streit hatte in einem blutigen Kampf geendet, in den beinahe noch viel mehr Masriden und Wlachaken verwickelt worden wären. Um weitere Kämpfe zwischen den unwilligen Verbündeten zu vermeiden, hatten die Anführer harte Urteile gefällt und die Galgen auf dem kleinen, mittig gelegenen Hügel aufgestellt, wo sie als Abschreckung für alle anderen dienen sollten, die meinten, noch eine Rechnung zwischen Masriden und Wlachaken begleichen zu müssen. Der Anblick der sich langsam im Wind drehenden Toten hatte die Angriffslust der meisten gedämpft, doch der alte Hass schwelte zwischen den Kriegern beider Völker, und kleinere Zwischenfälle waren an der Tagesordnung. Wie in Teremi nach Ionnas Einmarsch, dachte Flores mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust. Der Zorn sitzt sehr tief.
Die Wlachakin beschleunigte ihren Gang, um den Galgenhügel hinter sich zu lassen.
Auf dem Weg zu ihrem Zelt wurde sie bald von schnellen Schritten eingeholt. Es war Tamár, der sich zu ihr gesellte und schweigend neben ihr herschritt. Als der Masride nichts sagte, sah Flores ihn fragend an. »Und?«
»Wir werden in zwei Trupps ziehen; Wlachaken und Masriden getrennt. Unterwegs wird sich uns Odön anschließen. Damit sollten wir dann Szilas gleichwertig oder gar überlegen sein.«
»Schön.«
»Und wir kämpfen für unsere Heimat, wenn diese auch nicht die gleiche sein mag. Bisher ist die Löwin von Désa im Felde ungeschlagen, und ich habe vor, die Schmach von Turduj zu sühnen.«
Es schien lange her, dass Ionna nur über das karge Hochland des Mardews geherrscht hatte und dort im Tal von Désa ihren Sitz hatte. Die Löwin von Désa. Jetzt ist sie Voivodin der Wlachaken, Anwärterin auf den Thron Radus. Es hat viel Blut gekostet, und nun wird noch mehr vergossen werden. Vielleicht hat Şten ja doch recht, und das Land selbst säuft unseren Lebenssaft. Vor ihrem inneren Auge sah Flores Wlachkis, eingebettet zwischen den hohen Sorkaten, die das Land seit Ewigkeiten gegen den Rest der Welt abschirmten. Der Magy teilte es wie ein langer Schnitt, und dunkle Wälder bedeckten die Erde. So sehr sie sich auch anstrengte, sie konnte sich Wlachkis nicht friedlich vorstellen, nicht nach allem, was sie erlebt hatte, was all seine Bewohner,
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