Die Schlacht der Trolle
abwegig, dass der junge Troll sich nicht einmal vorstellen konnte, wie das sein mochte. Selbst an der Oberfläche war er immer vorhanden. Fern vielleicht, doch er war da. Wenn er jetzt versuchte, nicht auf den Herzschlag zu achten, dann spürte er ihn umso deutlicher.
»Versuch es nicht jetzt. Du musst dein Herz frei machen und kalt«, erklärte Tarlin, als er Kerrs Beklommenheit bemerkte. »Aber versprich dir nicht zu viel: Vangeliu konnte es nicht, und ich kann dir nicht sagen, ob du es überhaupt kannst. Denn schließlich bist du kein Elf, und ihr Trolle seid viel mehr Kinder Kurperlas, als wir es sind.«
»Was?«, fragte Kerr.
»Sein Atem durchdringt euch weit mehr als uns. Seine Verletzung hat euch viel deutlicher verändert als alles andere.«
»Wir? Kinder des Dunkelgeistes? So richtig?«, hakte Kerr ungläubig nach. »Ich weiß, dass die Dreeg in uns schlagen und dass Menschen sie nicht hören können. Wir sind dem Herzen des Landes näher. Aber seine Kinder?«
»Zumindest ist sein Einfluss auf euch stark. Ihr hört seinen Herzschlag; seit er verletzt ist, seid ihr immer tiefer in die Erde gezogen, wohin auch er gegangen ist. Wir glaubten immer, dass ihr seine Nähe sucht. Ich dachte, das wüsstest du.«
»Nein. Wir reden nicht viel über unsere Vergangenheit, da hat Pard recht. Natürlich lebten wir einst weiter oben, aber der Krieg gegen die Zwerge trieb uns hinab.«
»Früher kamen Trolle häufiger an die Oberfläche. Der Wald war größer damals, reichte von den Bergen im Norden bis zu den Bergen im Süden. Manchmal trafen die Elfen auf Trolle. Aber diese Zeiten sind lange vorbei.«
Der Elf schwieg, und Kerr fragte sich, ob er die Wahrheit sprach. Es stimmte, dass die Dreeg schon immer ein Bestandteil des Trolllebens gewesen waren. Vielleicht sind wir tatsächlich Kinder des Dunkelgeistes. Gibt es nicht die Geschichte über den alten Troll, der uns hinabgeführt hat und dessen Herzschlag wir spüren? Aber wir sind auf jeden Fall Kinder der Felsen, der Steine, der Tiefen, des Landes. Ich kann all das spüren.
»Soll das heißen, dass die Trolle einst freundliche und friedliche Kreaturen waren, so wie der Weiße Bär?«, fragte Sten skeptisch.
»Kurperla ist ein Geist der Natur. Er hat mehr Seiten, als du dir vielleicht vorstellst, Freund Sten.«
»Was wirst du tun, wenn wir ihn finden?«
»Ich werde versuchen, seinen Schmerz zu lindern, seine Stimme zu hören, und ihn bitten, seine Kraft für sich zu behalten.«
»Das wird Anda schwächen?«
»Ich hoffe, dass ich ihre Verbindung ganz kappen kann. Aber es hängt davon ab, ob der Geist auf meine Geheime Stimme hört.«
»Kannst du mit allen Geistern reden? So wie ein Geistseher?«, erkundigte sich Sten, der sich wieder aufgesetzt hatte.
»Mit meiner Geheimen Stimme. Wir alle hören die Geister, können sie verstehen und mit ihnen sprechen. Aber nicht jeder kennt seine Geheime Stimme. Ich habe sie ausgeprägt, weil die Rufe der Geister für mich laut sind.«
»Was machen denn Geistseher eigentlich?«, fragte Kerr neugierig. Diese ganze ihm bisher verschlossene Welt der Geister faszinierte ihn. Natürlich hatten auch die Trolle Geschichten über diese Wesen, doch im täglichen Leben spielten sie ebenso wenig eine Rolle wie Menschen oder Elfen. Es waren ferne, unverständliche Wesenheiten, denen man keine Beachtung schenken musste. Wichtig war nur das Überleben, der Schlag des Herzens.
»Die Geister sind«, erwiderte Tarlin langsam, »in allem. Geistseher können sie sehen. Mit ihnen sprechen. Ihnen helfen oder schaden. Sie um Hilfe bitten.«
»Helfen die Geister euch Elfen?«
»Man hilft sich gegenseitig. Aber wir öffnen uns den Geistern nur selten, denn dann nimmt man auch Kurperlas Atem in sich auf. Und nicht alle Geister sind uns wohlgesonnen. Sie können gefährlich sein, hinterlistig und sehr launisch. Man bittet die Geister nicht einfach um Hilfe. Wer dies tut, gibt sich irgendwann auf und verliert sich in ihrer Welt. Mit der Geheimen Stimme mit den Geistern zu sprechen, ist immer nur die letzte Wahl.«
Kerr nickte, Sten hatte die Augen geschlossen, und auch Tarlin lehnte sich zurück an die Wand und schwieg. Schließlich kroch Kerr zurück zu den anderen Trollen, die sich in der Zwischenzeit fast alle zum Schlafen zusammengerollt hatten.
Auch Pard lag auf der Seite, die Beine angezogen, wie ein Troll eben schlief. Doch seine Augen waren offen. Als der große Troll Kerrs Rückkehr bemerkte, blickte er den jungen Troll so finster
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