Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
einen halben Kilometer durchmessend.
»Das Sternentor«, rief der Junge, der das Marsflugzeug geflogen hatte: Ronald Penderton. Er musste eine ähnliche Erscheinung schon einmal auf Bildern aus der fernen Vergangenheit gesehen haben.
Die Aliens schienen aufgeregter als je zuvor. Ihre Köpfe glitten hin und her, sie berührten einander und gaben ganze Orgelkonzerte von sich, eine wahre Kakofonie tiefer, dröhnender Klänge.
»Kannst du verstehen, was sie sagen?«, wandte Caphurna sich an Elinn.
»Ich glaube, sie sind froh«, erwiderte das Mädchen. »Ohne den zusätzlichen Energiestoß wäre die Verbindung nicht zustande gekommen.«
»Ohne den zusätzlichen Energiestoß …?«, wiederholte Caphurna irritiert. »So kann man das natürlich auch nennen.«
Der Wissenschaftler spürte leises Bedauern bei dem Gedanken, dass damit nun der Abschied von den Falanern bevorstand, den ersten nicht menschlichen Intelligenzen, denen die Menschen je begegnet waren. So viele Fragen hätte er noch gehabt, auf die er wohl keine Antwort mehr bekommen würde. Ein paar wenige Aufzeichnungen, mehr würde nicht bleiben, wenn die Aliens nun ihr Raumschiff bestiegen und –
Ihr Raumschiff? Richtig. Das war ja noch die Frage gewesen. Wo war ihr Raumschiff? Existierte es überhaupt noch? Es sah nicht so aus. Das Sternentor stand offen, doch die Aliens machten keinerlei Anstalten, es auch zu benutzen.
Warteten sie darauf, dass die andere Seite ein Schiff hindurchschickte? Dass jemand kam und sie holte?
Wie wahrscheinlich war das – nach einer Million Jahre?
Caphurna holte tief Luft. Ein Zwiespalt. Einerseits waren diese Wesen, auch wenn sie unerhört fremdartig aussahen, den Menschen doch insofern ähnlich, dass sie einen Begriff von Heimat zu haben schienen und das Bedürfnis, dorthin zurückzukehren, und dass ihnen dies glückte, war ihnen durchaus von Herzen zu wünschen. Andererseits aber …
Andererseits bot sich der irdischen Wissenschaft die Chance, Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende der Entwicklung zu überspringen, wenn die Fremden gezwungen sein sollten, zu bleiben und sich, schon um ihres eigenen Überlebens willen, mit den Menschen auszutauschen.
Schwer zu sagen, was man sich wünschen sollte. Wobei … Was immer er sich wünschen mochte oder nicht, spielte im Moment ohnehin keine Rolle. Er war nur Beobachter. Und was er beobachtete, war, dass sich nichts rührte in dem Sternentor.
Die Funkverbindung mit der Marssiedlung kam wieder zustande. Die KI ließ sich mit entnervender Ausführlichkeit darüber aus, dass eine der Relaisstationen zwischen dem Daedalia Planum und dem Tharsis-Vorland nicht mehr arbeitete, und zwar die letzte in der Kette, diejenige, die auf dem Wall des Löwenkopfkraters installiert gewesen war. Die Verbindung laufe deswegen nun zum Teil über die Raumschiffe und die Satelliten und werde ab und zu unterbrochen werden.
Während auf den Helmen ringsum die Telefonsignale aufleuchteten, weil jeder schnell jemanden zu Hause in der Siedlung anrufen musste, sah Caphurna hinaus auf das, was die beiden Bomben vom Löwenkopfareal übrig gelassen hatten. Es war kein Wunder, dass die letzte Relaisstation nicht mehr arbeitete: Sie existierte nicht mehr. Der halbe Kraterwall existierte nicht mehr. Die Wucht der Explosionen hatte ihn zum großen Teil hinweggefegt.
Natürlich war auch von den Zelten des Forschungslagers nicht das Geringste übrig geblieben. Das Shuttle, das die Terroristen benutzt hatten: verschwunden. Die Flugboote: verdampft. Die beiden Türme standen nun in flachen Mulden, dort, wo ihnen die beiden Nuklearwaffen buchstäblich den Boden unter den Füßen weggesprengt hatten. Man konnte mit Interesse vermerken, dass der ursprünglich unter der Oberfläche gelegene Teil der Türme genauso aussah wie der Rest: lange, schmale Zylinder. Das hatte zur Folge, dass die Türme nun wohl etwa hundert Meter höher waren als zuvor.
Und immer noch sah man Staub herabrieseln. Nein, Fall-out , korrigierte sich Caphurna mit Schaudern.
»Messen Sie Radioaktivität?«, wandte er sich an seinen Assistenten, der das Aufzeichnungsgerät nach wie vor fest umklammert hielt.
»Ähm … Nein«, sagte der. »Ich könnte mir aber vorstellen, dass das außerhalb der Blase anders wäre.«
»Davon kann man ausgehen«, nickte Caphurna.
Es tat sich immer noch nichts. Kein Raumschiff kam. Und die Falaner? Nun, nicht dass er derjenige gewesen wäre, der sie am besten verstanden hätte – das war unzweifelhaft dieses
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