Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
heutigen vergleichbaren menschlichen Zivilisation galt, die die Außerirdischen praktisch spurlos vernichtet haben. Nur einige wenige Menschen haben das Massaker damals überlebt, aus denen im Lauf der Zeit die heutige Menschheit hervorgegangen ist.«
Der bärtige Mann sah in die Runde. Es herrschte atemlose Stille.
»Wie wir heute wissen, haben die Fremden Spuren hinterlassen. Auf dem Mars, aber auch auf der Erde haben wir einige ihrer Gerätschaften gefunden. Ist es weit hergeholt zu vermuten, dass diese Geräte immer noch mit ihnen in Verbindung stehen? Ist es weit hergeholt zu vermuten, dass diese Geräte einen Alarm auslösen können, wenn wir mit ihnen in Kontakt kommen? Ist es weit hergeholt zu befürchten, dass ein solcher Alarm die Fremden wieder herbeirufen könnte und dass sie uns dann ein zweites Mal auslöschen – doch diesmal für immer?«
Bjornstadt blickte umher. Die Worte Cholakovs machten Eindruck, das spürte man. Himmel, sogar er selbst war beeindruckt!
Präsident Nayanar dagegen offenbar nicht. Seine Miene hatte sich während des Vortrags merklich verdüstert. »Ich würde gerne wissen, was für sogenannte ›Wissenschaftler‹ Sie vorhin gemeint haben«, sagte er, an die Sprecherin der Heimwärtsbewegung gewandt. »Zufällig bin ich nämlich Inder, wie Sie wissen, und durchaus vertraut mit unserer klassischen Literatur. Das, was Sie, Professor Cholakov, da gerade zitiert haben, ist ein Sammelsurium von gänzlich verschiedenen Stellen aus dem Mahabharata , aus dem Zusammenhang gerissen, um einen bestimmten Eindruck zu erzeugen – ebenden, es werde ein Atomkrieg in ferner Vergangenheit beschrieben. Tatsächlich schildert die Rahmenhandlung des Mahabharata aber einen Bruderkrieg zwischen zwei Fürstenfamilien, der in einer Schlacht gipfelt, die in Kurukshetra ausgetragen wird, einem Ort etwa hundertsechzig Kilometer nördlich von Delhi.«
Cholakov hob nur die Augenbrauen. »Das ist die klassische Interpretation, gewiss. Irgendwie musste man den Text früher ja verstehen. Wir lesen ihn im Licht der neuesten Erkenntnisse eben anders.«
Leena Heinonen, die Ministerin für Forschung und Wissenschaft, hob die Hand. »Mir erscheint das insgesamt wenig glaubhaft. Wieso sollte sich eine derartige Erinnerung über eine so ungeheuer lange Zeit halten, während wir andererseits keinerlei Spuren dieser hypothetischen früheren menschlichen Zivilisation kennen?«
Dina Puriakis fuhr hoch. »Und was ist mit den Legenden um Atlantis? Um Lemuria? Was ist mit der Sintflut der Bibel?«
Die Ministerin blies die Backen auf. »Na, also das sind jetzt aber Vergleiche – die Sintflut, ich bitte Sie! Das ist jetzt aber doch wohl ein ganz anderes Bild, oder?«
»Und wer sagt«, fuhr die Sprecherin unbeeindruckt fort, »dass von einer ausreichend hochstehenden Zivilisation überhaupt viele Spuren zurückbleiben? Schauen Sie sich doch um: Das meiste, was heutzutage hergestellt wird, besteht aus nachwachsenden Rohstoffen, ist biologisch abbaubar und umweltverträglich – das heißt, es verschwindet.« Sie machte eine weit ausholende Geste mit der Hand, die den ganzen Saal umschrieb. »Wenn dieses Haus jetzt einstürzen und von Erde bedeckt werden würde, wäre in hundert Jahren nichts mehr von all dem zu finden, was Sie hier sehen. Das Wissen der Menschheit lagert in Datenspeichern, die im Kern aus kristallinem Silizium bestehen, dem dritthäufigsten Material, das es auf Erden gibt. UV-Licht, Feuchtigkeit oder Erschütterungen können diese Kristalle zerstören und dann bleibt nur Sand . Kein Archäologe künftiger Generationen würde zu dem Schluss kommen können, dass es uns jemals gegeben hat.«
George W. Carver, der Minister für Sicherheit, reckte sein bulliges Kinn vor. »Und was schlagen Sie vor? Dass die Erde wieder aufrüstet? Dass wir eine Weltraumstreitmacht aufstellen gegen einen Feind, von dem wir weder wissen, ob er wirklich ein Feind ist –«
»Dass er es sein könnte , reicht Ihnen nicht?«, rief ein finster dreinblickender Mann dazwischen, der ihm gegenübersaß.
»– noch, ob er überhaupt noch existiert?«, schloss der Kanadier unbeirrt.
Die Sprecherin der Heimwärtsbewegung sah ihn mit zornblitzenden Augen an. »Bestreiten Sie, dass hier eine Gefahr für die Menschheit besteht?«
»Hört man das so deutlich?«, gab Carver zurück.
»Dann sind Sie für Ihr Amt nicht kompetent.«
»Zum Glück haben Sie das nicht zu entscheiden.«
»George«, warf Nayanar mäßigend ein, »wir sind hier,
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