Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
hinein.«
»Mit anderen Worten, Mrs Faggan muss doch alleine gehen. Ich fürchte, um diese Konsequenz kommen wir nicht herum. Es sei denn, es gelingt ihr, auf irgendeine Weise von innen her einen Zugang zu öffnen.«
»Darauf können wir nicht ernsthaft hoffen. Bisher ist es uns trotz aller Anstrengung nicht gelungen, in irgendeiner Weise Einfluss auf die Technik der Fremden auszuüben. Die ganze Anlage macht doch, was sie will …« Ein Gedanke kam ihm. »Sie könnte einen Peilsender mitnehmen. Carl konnte damals auch aus dem Inneren der Höhle Kontakt mit dem Kommunikationsnetz aufnehmen, zumindest für einen Moment. Also wissen wir, dass wir einen solchen Sender anpeilen könnten.«
»Und dann?«
»Dann könnten wir die Tunnelfräse einsetzen und versuchen, uns einen eigenen Zugang zu schaffen.« Die Idee gefiel ihm immer besser, je länger er darüber nachdachte.
Yin Chi hob die dünnen Augenbrauen. »Kann man die mit einem Shuttle transportieren?«
»Wie, denken Sie, ist das Gerät auf den Mars gelangt?«
»Ah. Dumme Frage. Entschuldigen Sie.« Alles, was sie nicht auf dem Mars selber gebaut hatten – und derartige Maschinen zu bauen, überstieg die technischen Möglichkeiten der Siedlung noch bei Weitem –, hatte von der Erde hertransportiert und mit einem der beiden Shuttles aus der Umlaufbahn heruntergebracht werden müssen. »Die Tunnelfräse also. Wer kann damit umgehen?«
»Mrs Faggan selbst zum Beispiel. Sie ist stellvertretende Bauleiterin.«
»Besser, Sie nehmen noch jemanden mit. Sonst muss die arme Frau am Ende alles allein machen.«
Pigrato dachte nach. »Zhao Bai hat beim letzten Ausbau viel mit der Fräse gearbeitet, wenn ich mich recht erinnere. Der ganze neue Labortrakt geht auf seine Kappe.«
»Ich überlasse das ganz Ihnen, Tom«, sagte Yin Chi. »Nur schnell sollte jetzt alles gehen.«
Das Lesepult in der Mondbibliothek war alt, trotzdem brauchte es nur Augenblicke, um seine Frage zu beantworten. Tereschkowa , erfuhr er, konnte sein:
die Raumfahrerin Walentina Wladimirowna Tereschkowa, die im Jahre 1963 als erste Frau ins All geflogen war,
die Sopranistin Olga Konstantinowna Tereschkowa, die 2071 an der Opera Santo Domingo debütiert hatte,
die Insektenkundlerin Miriam Tereschkowa, geboren 2045, Professorin an der Universität von Belém,
das Raumschiff Tereschkowa , Indienststellung 2079, das zur Asteroidenwache gehörte,
die Speerwerferin Swetlana Tereschkowa, geboren 2061, die bei den Olympischen Spielen 2080 die Goldmedaille gewonnen hatte,
das Tal Tereschkowa auf dem Mond, so benannt zu Ehren der ersten Raumfahrerin Walentina Tereschkowa.
Und so ging es seitenlang weiter, bis hin zu den vielen ganz normalen Menschen, die diesen Nachnamen trugen und irgendwo auf der Welt ganz normalen Berufen nachgingen. Michael Visilakis betrachtete die Liste grübelnd. Sein Reporterinstinkt sagte ihm, dass nur das Raumschiff gemeint sein konnte. Er löschte die Abfrage, suchte die nächste Kommunikationszelle auf – eine Einrichtung, die so nur noch auf dem Mond existierte – und rief den Recherchedienst seines Senders direkt an.
»Guter Mann«, begrüßte ihn ein kauendes Gesicht auf dem Schirm, »wir machen hier gerade Frühstückspause. Können Sie vielleicht in zwanzig Minuten noch mal anrufen?«
Frühstückspause um halb elf. Na klar. Visilakis atmete tief durch. Nur jetzt nicht ausfallend werden, nicht sagen, was er am liebsten gesagt hätte. Wenn man es sich als Reporter mit den Leuten vom Recherchedienst verdarb, konnte man den Sender genauso gut gleich verlassen.
Also säuselte er stattdessen, drängte, bat, lobte und jammerte, erzählte, wie dringend und von welch enormer Bedeutung die Auskunft sei und vor allem, sie sofort zu bekommen, dass Menschenleben daran hängen mochten oder politische Verwerfungen …
Das Gesicht auf dem Schirm kaute unbeeindruckt weiter. Erst als Visilakis sich zu der Behauptung verstieg, eine der Hauptschlagzeilen der Abendnachrichten hinge daran, und zwar, wenn jetzt alles schnell ging, exklusiv und vor allen anderen, kam Bewegung in die Sache.
»Also gut«, sagte das kauende Gesicht, »mal sehen, was sich machen lässt.«
Der umfangreiche Rest des Mannes wurde sichtbar, als dieser mitsamt seinem Sessel in den Hintergrund rollte, wo eine ganze Batterie von Holoschirmen flimmerte. Dort angekommen, setzte er sich zu Visilakis Verblüffung zwei Ear-Plugs auf, in jedes Ohr einen, und während er mit den KIs sprach, huschten seine Hände über
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