Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
konturlosen Köpfen und acht Paar Gliedmaßen in jeder Größe, von zwei stämmigen Beinpaaren bis hin zu winzigen Armpaaren, die man ohne Vergrößerung für Barthaare oder dergleichen halten konnte.
Die Aliens.
»Was soll uns auffallen?«, meinte Caphurna mit mühsam gezügelter Ungeduld. »Nach letzter Zählung sind es zweihundertneunundfünfzig Sarkophage, angeordnet in sieben Reihen, und einundvierzig davon sind leer.«
Henry Lang kicherte. Er schien wirklich nicht mehr ganz bei sich zu sein. »Tatsächlich sind es nur vierzig«, gluckste er. »Das ist der Witz an der Sache.«
»Machen Sie es nicht so spannend«, sagte Yin Chi scharf. »Wenn Sie etwas entdeckt haben, dann zeigen Sie es uns.«
»Ich bin grausam, ich weiß. Also gut, hier.« Er vergrößerte einen Ausschnitt, der den hinteren Teil der Halle zeigte, ließ ihn scharf rechnen und vergrößerte daraus dann noch einmal einen winzigen Ausschnitt. »Was fällt Ihnen jetzt auf?«
Ariana sollte nie das Geräusch vergessen, das entstand, als alle Erwachsenen um sie herum im selben Moment in heftigem Erschrecken einatmeten. Dann sah sie es auch.
In einem der Sarkophage, von denen man nur den hinteren Teil sah, war ein menschlicher Fuß zu erkennen.
11
Eine geheimnisvolle Spur
In seinen eigenen Reportagen hatte Michael Visilakis schon öfter die Wendung gebraucht, er sei in diesem oder jenem Zusammenhang auf eine Mauer des Schweigens gestoßen. Doch noch nie hatte diese Beschreibung so sehr zugetroffen wie auf die Situation hier auf dem Mond.
Das Observatorium Tycho Brahe glich einer Festung. Niemand hatte Zeit. Die Leute, die er sprechen wollte, waren nicht abkömmlich oder im Urlaub oder in Besprechungen, die ewig zu dauern schienen. Eine Menge altgedienter Astronomen, die er von früheren Besuchen kannte, waren nicht mehr da, dafür etliche neue, die äußerst unangenehm wirkten. Manche der Mitarbeiter des technischen Stabes schienen regelrecht Angst vor ihnen zu haben.
So waren seine bisherigen Nachforschungen über das Schicksal Felipe Riveras sozusagen im Mondsande verlaufen. Das Apartment, das Rivera bewohnt hatte, stand leer; der Verwalter behauptete steif und fest, er sei auf die Erde zurückgekehrt. Doch auf den Passagierlisten tauchte sein Name nirgends auf.
Weswegen Visilakis nun in der Cafeteria der Mondsiedlung saß, einen Kaffee trank und darüber nachdachte, was er tun sollte.
Die Mondsiedlung war eine Art weit verstreuter Universitätscampus, zum größten Teil in die Hügel und kleineren Krater rings um den großen Krater Korolev hineingebaut. In der Ankunftshalle versäumte ein großes Schild nicht, darauf hinzuweisen, dass der Krater nach dem russischen Raketenpionier Sergei Pawlowitsch Koroljow benannt war, der vor ziemlich genau hundertdreißig Jahren mit Sputnik-1 den ersten Satelliten ins All geschossen hatte und kurz darauf mit Juri Gagarin den ersten Menschen. Ein zweites Schild erläuterte etwas, das einem auf dem Herflug schwerlich entgangen war, nämlich dass der Krater Korolev auf der der Erde ständig abgewandten Seite des Mondes lag, und erklärte dann, dass deswegen hier der ideale Standort für ein Radioteleskop war, da von dem unablässigen Feuerwerk an Funksignalen auf allen Frequenzen, das die Erde von sich gab, hier nicht das Geringste zu spüren war: Die Masse des Mondes schirmte dagegen ab.
Aber, überlegte Visilakis und sah aus dem schmalen, mit dickem, strahlensicherem Glas gepanzerten Fenster, das merkte man irgendwie. Dass die Leute auf der von der Erde abgewandten Seite lebten. Diejenigen, die schon lange hier waren, waren fast alle mürrisch und einsilbig.
Über einen Kraterrand hinweg sah er, wie sich eine der Antennenschüsseln langsam bewegte. Er wusste, dass das die einzige war, die man von der Mondsiedlung aus sehen konnte, alle anderen Antennen und Teleskope standen weiter entfernt, der Störstrahlung wegen, die von der Siedlung trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer noch ausging.
In der Cafeteria war nicht viel los. Außer ihm war nur ein weiterer Gast da und der stand gerade auf, zahlte und ging.
Von seinem Tisch aus konnte Michael Visilakis den Gang beobachten. Ein paar der Türen, die von ihm abgingen, führten in die große Bibliothek, in der es allerdings keine Bücher gab, sondern nur alte, elektronische Lesepulte. Er sah schweigsame Männer und Frauen kommen und gehen, mit jenen langsamen, gleitenden Schritten, die die geringe Mondschwerkraft erzwang, mehr ein Schweben als ein
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