Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
halten. Jetzt füllen wir das Zelt.«
Sie öffneten die Druckflaschen, ließen die Luft darin ausströmen. Im Nu begann das Zelt, sich nach außen zu wölben und seine eigentliche halbkugelige Form anzunehmen, einigermaßen wenigstens. Zugleich beschlug die Folie aber von innen, begann zu knistern vor Kälte. Ariana kannte dieses Phänomen: Die Atemluft hatte in den Flaschen unter Druck gestanden; beim Ausströmen hatte sie sich deshalb kräftig abgekühlt. Ihr Armbandgerät zeigte nun fast hundert Grad unter null. Deshalb füllte man Druckzelte nie direkt aus Flaschen, sondern schaltete ein Gerät dazwischen, das die Atemluft langsam ausströmen ließ und dabei anwärmte, befeuchtete und so weiter. Ein Gerät, das groß und schwer war und das sie nicht dabei hatten.
Aber anscheinend hatten in den Tagen, die es gedauert hatte, die Expedition vorzubereiten, eine Menge Leute gründlich nachgedacht. Mrs Faggan brachte etwas anderes zum Vorschein: einen Handschweißbrenner! Sie stöpselte eine Gaspatrone ein und zündete die Flamme. »Vorsicht«, meinte sie – überflüssigerweise, wie Ariana fand. Die Flamme war so hell, dass sich ihre Helmvisiere automatisch verdunkelten.
Mrs Faggan bewegte die Flamme behutsam, voller Bedacht, um nicht versehentlich zu nahe an die Zeltfolie zu kommen: Die wäre im Nu zerschmolzen. Allmählich stieg die Temperatur – von minus achtzig auf minus sechzig Grad, minus vierzig, minus dreißig …
»Das muss reichen«, befand Mrs Faggan, schaltete die Flamme ab und wandte sich dem Sarkophag zu, der nun in der Mitte des Zeltes stand. »Jetzt wird es Zeit, dass wir das Ding aufkriegen.«
»Nichts«, sagte Kemal Erkmen und schüttelte den Kopf, den Blick unverwandt auf das Display seines Handfunkgeräts gerichtet. »Kein Pieps mehr.«
Pigrato hieb mit der Faust gegen die bläulich schimmernde Wand, die den Höhlenraum teilte. »Mist«, knurrte er. »Mist, Mist, Mist.« Im nächsten Moment sah er sich nach Ronny um. Unnötig, dass der Junge mitbekam, dass sie nicht weiterwussten.
»Vielleicht ist das Mausoleum nur abgeschirmt«, meinte Erkmen. »Ich meine, es ist bestimmt das Herzstück der Anlage; es wäre nur logisch, es besonders zu schützen …«
»Ja.« Pigratos Blick wanderte umher – zum bestimmt hundertsten Mal – in der vergeblichen Hoffnung, einen Zugang zur Station der Aliens übersehen zu haben. »Aber vielleicht ist das Mausoleum auch einfach ganz woanders. Auf der anderen Seite des Planeten.« Er dachte daran, was sie über die technischen Möglichkeiten der Aliens bislang in Erfahrung gebracht hatten. »Oder sogar auf einem anderen Planeten. Nicht einmal das ist auszuschließen.«
Der Areologe räusperte sich. »Ich halte es nicht für sonderlich hilfreich, uns jetzt in derlei Spekulationen zu ergehen. Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten.«
Pigrato kaute auf seiner Unterlippe herum. Erkmen hatte natürlich recht. Theoretisch. Aber er war ja auch nicht derjenige, den man später für alles verantwortlich machen würde, was schiefging. Er war nicht derjenige, den die beiden Kinder von Christine Faggan ansehen würden.
»Kann man denn wirklich nichts machen?«, fragte er. Er deutete auf den felsigen Boden, auf dem sie standen und in dem das seltsame Glas der Trennwand zu verschwinden schien, ohne sichtbaren Übergang und ohne Nahtstelle. »Dass wir uns irgendwie an der Barriere vorbeigraben?«
»Nicht mit den Geräten, die wir mithaben.«
»Das haben Sie schon mal gesagt.«
»Sie haben ja auch schon mal danach gefragt.«
»Nichts«, sagte Mrs Faggan und ließ die Schweißflamme wieder erlöschen. »Da tut sich nichts.«
Ariana blinzelte. Trotz der automatischen Helmverdunkelung hinterließ das grellweiße Licht ein graues Nachbild, das nun vor allem zu schweben schien, was sie anschaute. Zum Beispiel an der Stelle am unteren Rand der Abdeckung, an der Mrs Faggan mit dem Schweißgerät angesetzt und versucht hatte, den Deckel zu öffnen.
»Aber ein bisschen verfärbt hat es sich, oder?«, wandte sie ein.
»Das ist nur Ruß.« Mrs Faggan fuhr mit dem behandschuhten Finger darüber. Tatsächlich, der schwarze Belag ließ sich mühelos abwischen.
»Ach so«, meinte Ariana entmutigt.
Mrs Faggan zog einen der Rucksäcke heran, wühlte darin herum. »Probieren wir es mal so«, meinte sie und zog einen simplen Schraubenzieher heraus.
Besonders beeindruckend sah das nicht aus, wie sie damit in dem Spalt zwischen Abdeckung und Sockel herumstocherte. Tatsächlich hatte
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