Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
– alles rausgeschmissen haben sie!«
»Damit wir keine Chance haben, uns selber zu befreien«, meinte ein Mann, dessen Gesicht rot angelaufen war.
»Wie denn?«, versetzte ein anderer. »Mit Messer und Gabel?«
In diesem Augenblick knackte es in den Lautsprechern und die ewig gleichmütige synthetische Stimme von AI-20 erklang. »Achtung, eine Durchsage an alle Siedler. Die Lage ist unter Kontrolle. Alle Eindringlinge befinden sich in Räumen, deren Türen ich blockiert habe. Die meisten von ihnen sind im Leitstand eingeschlossen, wo sie sich aufgrund eines fingierten Alarms versammelt hatten. Durch akuten Sauerstoffmangel sind sie im Moment ohnmächtig. Es wäre ratsam, sie möglichst rasch in Gewahrsam zu nehmen.«
Kurz nach Sonnenaufgang an diesem Morgen konnten die Marsbewohner eine erste Bilanz ziehen.
Die Siedlung war ein Schlachtfeld. Nicht genug, dass die Terroristen etliche Wohnungen komplett leer geräumt hatten, um Leute darin gefangen zu setzen – ohne Nahrung, nur mit Wasser aus dem Hahn versorgt –, sie hatten auch die Werkstätten und Labors verwüstet und in der Gemeinschaftsküche ein Chaos ohnegleichen hinterlassen.
Schon die Landung des Shuttles viel zu nahe bei der Siedlung hatte enorme Schäden angerichtet. Die heißen Abgase des Triebwerks hatten praktisch alle Treibhauszelte des Bereichs A verbrannt und die beiden anderen Bereiche schwer beschädigt, sodass fast die halbe Ernte verloren war. Alle Beerensträucher und Apfelbäume waren tot, ohne den Schutz der Treibhäuser in der Kälte der Marsatmosphäre erfroren, und natürlich hatte auch keines der Hühner, die zwischen ihnen herumgerannt waren, überlebt.
Sand, der bei der Landung mit hoher Geschwindigkeit davongeschleudert worden war, hatte sämtliche Sichtscheiben der Oberen Station bis zur Undurchsichtigkeit zerkratzt. Schleuse 1 war so beschädigt, dass man sie nicht mehr benutzen konnte. Einige der Antennen auf Modul 4 waren umgeknickt oder ganz abgebrochen – ein Schaden, den man reparieren konnte. Nicht reparieren ließen sich dagegen die Funkanlagen für die Verbindung zur Erde: Hier hatte jemand, der sich mit Technik auskannte, ganze Arbeit geleistet. Zwar ließen sich die Satelliten noch erreichen, auch das Funknetz des Kom-Systems funktionierte – aber zur Erde war keine Verbindung mehr möglich.
Beide Flugboote fehlten. Das erste war, wie das Ereignisprotokoll zeigte, noch in derselben Nacht, in der die Terroristen die Siedlung in ihre Gewalt gebracht hatten, zum Löwenkopf aufgebrochen; man musste wohl davon ausgehen, dass dieser Flug der Eroberung der dortigen Forschungsstation gedient hatte. Mit den unbewaffneten Forschern hatten die Terroristen zweifellos leichtes Spiel gehabt. Das zweite Flugboot war dann am Montagmorgen gestartet; auf einer Videoaufnahme sah man, wie eine Gruppe der Eindringlinge eine große, offenbar ziemlich schwere Kiste aus dem Shuttle holte und behutsam in das Flugboot schaffte. Worum es sich dabei handelte, war unklar. Sie befragten die gefangen gesetzten Männer, soweit sie schon wieder das Bewusstsein erlangt hatten; diese behaupteten jedoch, es nicht zu wissen. Sprengstoff, vermuteten die Gesprächigeren unter ihnen. Das Ziel ihrer Mission sei nämlich, die blauen Türme zu sprengen.
»Na, viel Glück«, spottete Professor Jorge Caphurna, der sich seit Monaten mit der Erforschung des nahezu unzerstörbaren Materials abgeplagt hatte. »Da werden sie mit Sprengstoff nicht viel ausrichten.«
»Eine bemerkenswert schizophrene Idee«, meinte Wim Van Leer. »Soweit ich mich erinnere, hat die Heimwärtsbewegung immer gefordert, die Forscher hier dürften die Türme nicht mal berühren , weil das irgendwelche Aliens mit feindlichen Absichten anlocken könnte. Und kaum kommen sie selber daher, wollen sie sie gleich in die Luft sprengen!«
James Faggan befand sich in der medizinischen Station, wo ihn Arianas Vater, Dr. DeJones, behandelte. Die Nachricht von seiner Rettung aus dem Mausoleum der Aliens verbreitete sich wie ein Lauffeuer; es war so etwas wie ein Lichtblick in dieser dunklen Stunde.
Leider so ziemlich der einzige. Zusammen mit dem anderen Shuttle hatten die Terroristen auch zwei Geiseln mit sich genommen: Roger Knight, den Piloten – und Christine Faggan, die Ehefrau des geretteten Marsforschers und Mutter von Carl und Elinn. Über ihr Schicksal war nichts bekannt, da alle Versuche, mit der Löwenkopfstation Funkkontakt aufzunehmen, bislang gescheitert waren.
Im Lauf der
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