Die Schlaflosen
hinein, das sich irgendwo um ihren nackten Fuà herumgeknüllt hat, schiebt ihr den Schuh über, legt ihr die Decke um die Schultern und geleitet sie, die langsam und wie in Trance ihre FüÃe einen vor den anderen setzt, in den kleinen Raum hinter dem Empfang, wo sie sich in dem Sessel niederlässt, in dem vorhin noch die empörte Dame saÃ. Sandow versucht, sie zu beruhigen, indem er ihr über den Rücken streicht, über den Kopf und immerzu wiederholt, es sei gar nicht schlimm, sie solle ganz ruhig sein, ganz unbesorgt. So spricht er zu ihr, die immer noch nicht ganz begreift, wie ihr geschieht, und erst nach einem Schluck Wasser wieder zu ihrer Sprache findet. Sie hält die Decke vor ihren Körper und sagt, sie habe gedacht, sie läge zu Hause im Bett, sie hoffe, dass er jetzt keine Schwierigkeiten ihretwegen bekomme, es sei ihr alles schrecklich unangenehm. Und Sandow redet auf sie ein. Kaum einer habe sie gesehen, und wenn schon, sie habe ausgesehen wie jemand, der am Strand liegt, und da sei doch wirklich nichts dabei. Es klopft an die Tür, und der Kellner, dessen Nasenflügel die Moll so gerne geküsst hätte, bringt eine Schale, in welcher er die Perlen ihrer Kette aufgesammelt hat. Die Moll nimmt sie entgegen, nickt mit einem zerstreuten âºDankeâ¹ und schiebt sich das Haar aus der Stirn, als könne sie so wieder Ordnung schaffen.
Danke, danke, danke, wiederholt sie, und bittet ihn darum, noch ihre Handtasche aufzutreiben, falls das möglich sei. Der Kellner macht sich auf, ihr diese Bitte zu erfüllen. Schon sofort, sagt er ironisch und verschwindet, gefolgt von Sandow, der noch einmal zurückblickt und der Moll ein aufmunterndes âºWird alles gutâ¹ zuruft.
Moll, Moll, Moll, was hast du da schon wieder angestellt, spricht sie zu sich selbst und zieht den BH hoch, der sich im rechten Ãrmel verfangen hat, schlieÃt ihn, schlüpft wieder ganz in ihr Kleid hinein, knöpft es zu und streicht den Stoff über Brust und Bauch glatt, als könne sie so das Desaster ungeschehen machen. Sie entdeckt einen Spiegel über einer Kommode, und als sie sich darin sieht, fällt ihr plötzlich ihr Traum ein. Dass sie auf dem Bauch eines auf dem Rücken liegenden Pferdes lag und dabei die FüÃe in etwas Weiches schob. Sie kann sich jetzt ganz genau an das helle, kurzhaarige Fell erinnern und an das glänzende Schwarz des Schweifs, an das glatte Rosshaar unter ihren Sohlen.
War es ein Albtraum oder einfach nur ein Wirrtraum oder gar ein schöner Traum? Und als Sandow mit der Handtasche zurückkommt, will sie von ihm wissen, ob er glaube, dass sie wieder in die Gesellschaft zurückkehren könne, ohne sich lächerlich zu machen â so wie sie jetzt aussehe. Das wolle sie nämlich unbedingt. Denn wenn sie eines fürchte in diesem Moment, sei es das Alleinesein.
Zu fortgeschrittener Stunde
In der Mitte des blauen Salons haben die Kellner und einige aus dem Dorf zu Hilfe gekommene junge Leute eine Tafel aufgebaut. Die Dorfbewohner helfen öfter in dem Hotel aus, nämlich immer wenn wegen unvorhergesehenen Andrangs Not am Mann oder an der Frau ist wie beim Beschneiden der Bäume, bei kleinen Renovierungsarbeiten oder bei StoÃbetrieb in der Küche. Auch kommt es manchmal vor, dass Gäste in Dorfhäusern untergebracht werden, etwa wenn zu einer Hochzeit mehr Leute kommen, als im Hotel untergebracht werden können. Dies sind immer lohnende Nebenverdienste, nicht selten verbunden mit einem gewissen Unterhaltungswert. Denn über manche Gäste lassen sich Geschichten erzählen, die sonst nicht so oft in diesem Dorf jwd hinter Berlin zu hören sind.
Miriam ist wieder auf den Beinen, richtig schlafen konnte sie ohnehin nicht, dazu ist sie viel zu nervös heute. Sie fühlt sich verantwortlich für alles, was hier geschieht und nicht geschieht. Es war auch ihre Idee, die Tafel aufzubauen, Kerzenleuchter hinzustellen und Wein und Speisen zu servieren wie etwa nach eritreischem Rezept zubereitete Hähnchenschenkel, Pasteten aus Wild, Ente und Gänseleber, Wildschweinschinken, Räucheraal und verschiedene Käsesorten â Delikatessen, von denen immer gröÃere Mengen vorrätig sind und die jederzeit aufgetischt werden können. Dafür hat Miriam gesorgt, als sie Bülows Frau wurde und die Regie des Hotels mit übernahm.
Jetzt wirft sie einen zufriedenen Blick auf das Arrangement, die
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