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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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zuvor schon Salome und Efraim berichtet hatte.
    Gut gelaunt war Caligula von seinem Feldzug zurückgekehrt, die Truhen voller »Beute« – Muscheln von der Kanalküste. Dann erkundigte er sich nach den Opferungen zu seinen Ehren und nach den Huldigungen und Geschenken, die eingegangen waren. Fast aus allen Teilen des Reiches trafen Abordnungen ein, Säcke voll Kostbarkeiten mit sich schleppend; Götterstatuen wurden errichtet, Tempel neu geweiht, Städte nach ihm benannt, Sterne nach ihm benannt … Die Provinzen übertrafen sich darin, Caligula größere und noch größere Verehrung zukommen zu lassen. Nur zwei Provinzen weigerten sich: Armenia minor , in der Aristobuls Vater König unter Roms Oberherrschaft war, und Judäa. Armenien bestrafte Caligula, indem er dessen König tötete. In Judäa gab es keinen König, so dachte sich der Kaiser eine andere Strafe aus. Er verfügte, dass eine Statue, die ihn als Gott zeigte, im Heiligtum des Jerusalemer Tempels aufgestellt werden solle.
    Jeder hier wusste, dass das jüdische Volk eine solche Provokation, ja, Schändung, nicht hinnehmen konnte . Der Tempel war heiliger Bezirk, Zentrum des Glaubens und des Staates, Verkörperung des Stolzes und der Einigkeit der Juden. Schon das Betreten des Allerheiligsten war nur Priestern gestattet, niemals durfte ein einfacher Jude und schon gar kein Ungläubiger das Innerste des Tempels mit seiner Anwesenheit entweihen, denn bereits dies würde Groll und Unruhe im ganzen Land hervorrufen. Eine bildliche Darstellung, eine Statue, aufzustellen, noch dazu die eines Römers, eines Kaisers, der sich selbst zum Gott ernannt hatte, würde weitaus schlimmere Folgen haben: Sie würde einen Sturm entfachen. Die Meinungsverschiedenheiten der Sekten und ihrer Anhänger wären mit einem Schlag vergessen, und alle Männer und Frauen Judäas würden einträchtig gegen die Schändung kämpfen bis aufs Blut.
    Agrippa saß blass auf dem Gras und starrte vor sich hin, unfähig, etwas zu sagen. Es war Efraim, der als Erster das Wort ergriff.
    »Eines ist klar: Es muss etwas geschehen. Wir können nicht einfach zusehen, wie unser Volk in berechtigter Empörung in einen Krieg zieht, der Tausende das Leben kosten wird. Die römische Diaspora hat eine besondere Verantwortung in dieser Stunde. Ich werde vor den Kaiser treten und um Gnade bitten.«
    »Das wäre sinnlos«, wandte Salome ein. »Du würdest nur seinen Zorn auf dich ziehen und hingerichtet werden, ohne Nutzen für irgendjemanden.«
    »Ich muss es versuchen.«
    »Ich stimme der Prinzessin zu«, sagte Aristobul. »Man kann mit einem Größenwahnsinnigen nicht reden. Man kann ihn nur töten.« Aristobul rieb sich die müden Augen. Er war erschöpft von der überstürzten Reise von Armenien nach Rom und von dort nach Latium, dazu der elende Tod seines Vaters und die Ungewissheit, was Caligula mit ihm vorhatte. »Ich würde ihn töten, wenn ich es könnte, glaubt mir. Aber ich komme nicht an ihn heran, er gewährt mir keine Audienz. Daher muss Agrippa es tun. Er ist der Einzige, der nahe genug an den Kaiser herankommt.«
    Man sah Aristobul an, dass er diesen Vorschlag nicht gerne machte. Er hatte ein weiches, melancholisches Gesicht, das weit mehr von Trauer und Ratlosigkeit gezeichnet war als von Wut oder Rachegedanken, die Miene eines harmlosen Zivilisten. Trotz seiner Uniform trug er nicht einmal ein Schwert.
    Agrippa reagierte nicht auf Aristobuls Vorschlag. Regungslos starrte er auf die Grasbüschel vor ihm.
    »Agrippa?«, weckte Aristobul ihn auf.
    »J-ja?«
    »Du sollst Caligula töten.«
    Agrippa schüttelte verängstigt den Kopf. »Das kannst du nicht verlangen.«
    »Nicht für mich sollst du es tun, sondern für dein Volk.«
    Agrippa schüttelte weiter den Kopf. »Du verstehst das nicht, Aristobul. Ich hatte noch nie einen Dolch in der Hand, geschweige denn, dass ich damit zustoßen könnte.«
    »Ich zeige dir, was du zu tun hast.«
    Salome unterbrach diese seltsame Verhandlung. »Das macht doch alles keinen Sinn. Caligula wird nicht nur von der Prätorianergarde beschützt, sondern ist auch von einer germanischen Leibwache umringt, die ihn auf Schritt und Tritt begleitet. Jeder Besucher wird vorher nach Waffen durchsucht. Agrippa würde entlarvt werden, bevor er auch nur in die Nähe des Kaisers käme.«
    Agrippa blickte sie dankbar an, und erneut machte sich Ratlosigkeit breit. Sie liefen unruhig hin und her, setzten sich wieder, kauten nachdenklich auf Brot herum und spülten es mit

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