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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Saal, die je zwei silberne Tablette mit Speisen trugen und sie servierten: gebratene und mit Honig übergossene Haselmäuse, Damaszenerpflaumen und Granatäpfel, dazu alter Falerner in edelsteinbesetzten Silberkelchen. Ihnen folgten Artisten, die mit Pfaueneiern jonglierten und sie anschließend dem Kaiser zu Füßen legten – die Eier waren aus reinem Gold. Ringer trugen einen gebratenen Eber herein. Sie schnitten ihn auf, und heraus flatterten – zum Erstaunen aller – winzige bunte Vögel. Aus einem ebenfalls herbeigeschafften Schwein purzelten etliche Brat- und Blutwürste heraus, goldene Krüge waren mit Muscheln und Austern gefüllt und Wannen mit Eselsmilch. Ein Gang folgte dem anderen: Kalmare, Muränen, Ferkel, Kaninchen, Ziegenfleisch in Minzöl … Zwischen den Gängen regnete es Hyazinthenblüten, Schauspieler sangen komische Verse, und nackte Artisten führten allerlei Kunststücke vor. Eine Sensation jagte die nächste, und jede war aufwändiger und glanzvoller als die vorherige – und teurer.
    Agrippa hatte eine komplette Jahreseinnahme aus seiner Tetrarchie aufwenden müssen, doch das hatte noch immer nicht gereicht. Also hatte Salome ihm fast ihr gesamtes Vermögen gegeben und Berenike und Aristobul einen weiteren Teil. Für das Gelingen des Planes war die sagenhafte Verschwendung von entscheidender Bedeutung. Caligula amüsierte sich königlich – oder wie er es ausdrückte »göttlich«. Und darauf kam es an.
    Als der vierundzwanzigste und letzte Gang hereingetragen wurde – Storchenköpfe -, griff sich Caligula einen der Köpfe, spielte damit und sagte: »Dieser Kopf erinnert mich an etwas, das ich schon den ganzen Abend tun wollte. Agrippa!«
    Agrippa bemühte sich um ein Lächeln. Damit man seine zitternden Hände nicht sehen konnte, hielt er nun ebenfalls einen Storchenkopf fest. »Ja, Gottheit?«
    »Diese Dingsda, deine Kusine oder was auch immer sie ist …«
    »Ja, Gottheit?«
    »Sie soll mal herkommen.«
    »Jawohl, Gottheit.«
    Inzwischen waren alle Gäste im Saal verstummt. Agrippa rief Salome zu sich, doch Aristobul wollte sie nicht gehen lassen. »Wir haben keine Wahl«, wisperte sie ihm zu und wechselte einen innigen Blick mit ihm. Schließlich ließ er ihre Hand zögernd los.
    Salome stellte sich neben Agrippa.
    »Du da«, sagte Caligula, »du hast doch einmal getanzt und dafür einen Kopf gefordert, so war es doch?«
    »Nicht ganz«, erwiderte sie mit belegter Stimme. »Ich habe …«
    »Also, war es nun so oder nicht«, donnerte Caligula. Er drohte seine gute Laune zu verlieren, also gab Salome ihm Recht.
    »Ja, so war es.«
    Caligula lachte. »Siehst du, Agrippa. Du sollst dafür, dass du dieses Fest mir zu Ehren gegeben hast, belohnt werden.«
    Salome, Agrippa und die anderen atmeten erleichtert auf. Genau das hatten sie erreichen wollen: eine Belohnung dafür, dass Agrippa dem Kaiser ein Fest von geradezu olympischem Luxus ausgerichtet hatte. Agrippa würde sich wünschen, dass der Tempel frei von Bildnissen bleiben solle. Doch wie würde der launische Imperator darauf reagieren?
    Agrippa erhob sich wieder und dankte dem Kaiser für die Großzügigkeit.
    »Kann ich das denn wirklich annehmen, Gottheit?«
    »Natürlich kannst du.«
    »Und ich darf mir alles wünschen?«
    »Du darfst dir einen beliebigen – Kopf wünschen.«
    Alle stöhnten auf.
    »Einen Kopf?«, fragte Agrippa verwundert.
    »Natürlich, das ist doch der Witz! Ich lasse köpfen, wen immer du willst. Vielleicht Claudius? Sein Gestotter geht mir langsam auf die Nerven. Oder einen deiner Gläubiger?« Caligula lachte. »Ein herrlicher Abschluss des Abends. Jemand wird einen Kopf kürzer gemacht. Und deine Dingsda, deine Kusine, tanzt dann ein wenig um den Kopf herum, ja? Das ist doch lustig. Also, welchen Kopf wünschst du dir?«
    Agrippa schluckte. »Einen beliebigen Kopf?«
    »Ja doch! Nun mach schon.«
    »So wünsche ich mir …«
    Salome ahnte, an welchen Kopf Agrippa dachte, und als er sie Rat suchend ansah, nickte sie ihm aufmunternd zu.
    Er zögerte einen weiteren Moment – da er befürchtete, es könnte sein letzter sein – und sagte dann: »So wünsche ich mir den Kopf der Statue, die im Tempel von Jerusalem aufgestellt werden soll.«
    Caligula gefror das Lachen im Gesicht.
    Ein Atemzug verging, ein zweiter, ein dritter. Alles konnte jetzt geschehen. Er konnte sie vor Wut töten lassen, er konnte sie nach Germanien verbannen, sie in Armut fallen lassen, versklaven, zu den Löwen in die Arena schicken

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