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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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    »So soll es geschehen«, rief er unwirsch. »Und da Statuen ohne Kopf unnütz sind, soll sie überhaupt nicht aufgestellt werden. Einen Gefallen hast du dir damit aber nicht getan, Agrippa. Du bist nicht länger mein Freund.«
    Missmutig stand er auf und verließ die Villa.
    Das Gerücht von Agrippas mutiger Tat verbreitete sich rasend schnell. Die jüdische Gemeinde in Rom feierte, und in alle Richtungen wurden Botschaften mit der guten Nachricht verschickt. Tausendmal ließ man Agrippa hochleben. Eine Schändung des Tempels war vermieden worden, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu vergießen. Ein Geniestreich, lobten die Menschen.
    Agrippa und Salome feierten nur zögerlich. Sie zitterten noch einige Wochen lang, ob Caligula sich an ihnen rächen würde.
    Dann, an den Kalenden des Monats janus , machte eine Horde aufgebrachter Prätorianer dem Treiben des Verrückten ein Ende und schlachtete ihn ab wie ein Stück Vieh.
     
    Der neue Kaiser Roms hieß Claudius. Er, der hinkende, stotternde Mann, hatte in seinem Leben genug Demütigungen erfahren, um die Demütigung der Juden durch Caligula besser zu verstehen als irgendein anderer Nichtjude. Er dankte Agrippa für seine Hilfe und bewunderte dessen Mut auf dem Fest. Wenige Wochen nach seinem Herrschaftsantritt ernannte er ihn zum König von Judäa und stellte damit den Status wieder her, den das Land zuletzt vor vielen Jahrzehnten am Todestag Herodes des Großen innegehabt hatte.
    Agrippa war von dieser Entwicklung wie benommen. War er bereits in den Tagen und Wochen nach dem Fest schweigsam gewesen, erschien er fortan geradezu gleichmütig. Ohne Freude oder Eile ordnete er seine Angelegenheiten in Rom und besprach wichtige Einzelheiten mit Kaiser Claudius, zu denen auch gehörte, was Judäa künftig durfte und was nicht, wie es die griechische Minderheit zu schützen hatte und dass es seine Bevölkerungsanzahl nicht durch Umsiedlung von Juden aus Ägypten, Syrien und anderswo vergrößern durfte und allerlei ähnliche, vernünftige Maßnahmen, die den Frieden in der Region garantieren sollten. Agrippa stimmte nahezu kommentarlos allem zu. Er feierte nicht, trank keinen einzigen Schluck Wein, zeigte wenig Appetit und lachte kaum noch. Er war ein völlig anderer Mensch als noch vor kurzem.
    Eines Abends nach Einbruch der Dunkelheit klopfte er an Salomes Pforte. Ohne Begleitung und zu Fuß war er in strömendem Regen durch halb Rom gelaufen. Er bat sie, mit ihm nach Judäa zu kommen.
    »Wozu?«, erwiderte sie überrascht. »Du bist nun König. Dein Wort hat Gewicht, umso mehr, als alle deine Untertanen dich für das verehren, was du für sie getan hast.«
    »Wir wissen beide, dass es deine Idee war, das Fest für Caligula zu geben.«
    »Im entscheidenden Moment«, wandte sie ein, »war es deine Standhaftigkeit, die uns gerettet hat.«
    »Du bist die Löwin.«
    Sie verdrehte sie Augen. »Das ist dummes Gerede launischer Menschen. Heute bin ich die Löwin, morgen die Hure. So ist das, übrigens nicht nur in Judäa.«
    Agrippa ging wieder in die Nacht hinaus, und Salome glaubte, dass das Thema damit erledigt sei.
    Doch das war es nicht. Am nächsten Mittag klopfte es erneut. Diesmal stand Efraim an der Pforte. Nachdem er Gilead und Berenike begrüßt hatte, bat er Salome um ein Gespräch.
    Sie führte ihn in den Innenhof, wo sie auf zwei römischen Liegebänken neben der Dattelpalme Platz nahmen. Wie häufig hatten sie hier zusammengesessen, mit Freunden und der Familie, und schöne Nachmittage und Abende verbracht!
    Von dieser entspannten Atmosphäre war heute nichts zu spüren. Ohne Umschweife begann Efraim: »Mein Kind, was soll das? Agrippa war gestern Nacht bei mir, zum ersten Mal seit gewiss zehn Jahren. Durchnässt wie ein Hund bat er mich, mit ihm nach Judäa zu gehen.«
    »Mich bat er um das Gleiche.«
    Efraim nickte. »Das hat er mir erzählt. Warum hast du abgelehnt?«
    Er beugte sich zu ihr und nahm ihre Hände in die seinen, wie er es schon oft getan hatte. »Mein Kind, Agrippa braucht einen Ratgeber, der sowohl Judäa als auch ihn kennt, jemanden, der Erfahrung im Regieren hat und dem die Widerstände bekannt sind. Mir fällt niemand ein, der dafür besser geeignet wäre als du.«
    Sie wollte protestieren.
    »Nein, lass mich ausreden. Erinnerst du dich, was ich dir kürzlich auf Agrippas Landgut sagte? Das Leuchtfeuer, Salome, das die Menschen von ihren Irrwegen wegholt. Ich hatte dich dabei im Sinn.«
    Erneut unterband er ihren Einspruch.
    »Nun ist

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