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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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Zerrissenheit und dass du selbst dein schlimmster Feind wirst. Doch keine Sorge, das Blut der Herodianer und meine Erfahrung werden dich leiten. Du wirst eine Fürstin, von der man noch in tausend Jahren sprechen wird.«
    Herodes würde sich im Grabe umdrehen, könnte er davon erfahren. Wie hatte er sie damals genannt? Ein dummes Mädchen. Das machte den heutigen Erfolg noch schöner.
    Salome verbrachte die nächsten Stunden schwankend zwischen Stolz über ihren kommenden Aufstieg und Furcht vor dem, was dieser mit sich bringen könnte, und sie kehrte mit keinem einzigen Gedanken zu der Frage zurück, wie ihre Großtante unter Umgehung von Archelaos überhaupt Königin werden wollte.

5
    Das Hippodrom von Jerusalem war erfüllt von Rufen. Als wäre es ein vielstimmiger Schwarm von Raben, krächzte das Publikum durcheinander. Man hörte die Namen der verschiedenen Favoriten, die in der Arena ihre Schnelligkeit gegeneinander maßen: Eumenes … Anaxander … Demetrios …, allesamt Griechen, die zur hiesigen Gemeinde gehörten. Es war das Rennen der jungen Männer, das einmal jährlich zwischen allen Fünfzehn- bis Zwanzigjährigen ausgetragen wurde. Der Sieger erhielt keinen Lorbeer wie bei den Olympischen Spielen, ja nicht einmal ein Preisgeld, aber sein Name wurde bei den Griechen Jerusalems hoch geachtet, er würde immer Arbeit haben, jederzeit einen Kredit bekommen, stets in ihren Häusern bewirtet werden, bis ins hohe Alter hinein. Die Familien und Cliquen der neunzehn Wettstreiter taten daher alles, um ihren jeweiligen Mann anzufeuern, und schrien sich dabei die Kehle aus dem Leib.
    Nur ein einziger Name durchdrang nicht das Dickicht der Anfeuerungen. Obwohl er in der Spitzengruppe der drei Führenden ritt, gab es niemanden, der Timon lautstark unterstützte. Er hatte hier keine Verwandten und keine Freunde. Der Einzige, der mit ihm fieberte, war Archelaos, und der kam gegen dreitausend Schreihälse nicht an, nicht einmal mit weingeölter Stimme. Von der Ehrentribüne aus, die ihm vom Sprecher der griechischen Gemeinde aus Höflichkeit zur Verfügung gestellt worden war, verfolgte er das Geschehen. Normalerweise hatten Juden nichts im Hippodrom oder in anderen Arenen zu suchen, denn ihr Glauben verurteilte solche Wettkämpfe als heidnisch und verbot die Teilnahme. Dass es ein Jude gewesen war, nämlich Herodes, der Hippodrom und Amphitheater errichtet hatte, wurde von den jüdischen Gläubigen schon für schlimm genug gehalten – und die Griechen bemühten sich, diesen Umstand zu ignorieren, denn sie lebten mit dem Volk Israel zwar friedlich, allerdings nicht gerade herzlich zusammen, und sie dankten ihm für nichts.
    Einst hatten ihre griechischen Vorfahren hier das Sagen. Vor dreihundert Jahren hatte Alexander der Große, ihr Alexander, ganz Kleinasien, Syrien und auch Palästina von der Besatzung durch die Perser befreit. Fortan herrschten griechische Offiziere über das Land und zogen Bauern und Händler in Scharen aus dem Mutterland an. Sie bildeten die Elite der Städte und besaßen schon bald weite Ackerflächen. Doch vor einhundertfünfzig Jahren beendete ein jüdischer Aufstand ihre herausragende Stellung. Die griechischen Offizierskönige wurden vertrieben, und nun waren sie nur noch eine geduldete Minderheit, wohlhabend zwar, doch selbst in jenen Städten, die von ihnen geprägt waren, ohne maßgeblichen Einfluss. Was ihnen blieb, war der Traum, die Verhältnisse eines Tages wieder ändern zu können, vielleicht mit Hilfe der Römer.
    Die letzten Runden standen bevor. Die Reiter und Pferde der Spitzengruppe wetteiferten noch vehementer um die Führung in der ovalen Arena. Oft waren sie derart dicht nebeneinander, dass die Leiber ihrer Rosse sich aneinander rieben und deren Hufe nur einen Fingerbreit entfernt auf den Sandboden stampften. Timon und die beiden anderen jungen Männer bissen die Zähne zusammen, ihre Hände klammerten sich um die Zügel, und ihre Körper beugten sich über die wehenden Mähnen der Pferde.
    Einer von Timons Konkurrenten rutschte wegen der hohen Geschwindigkeit in einer Kurve von dem blanken Pferderücken herunter und stürzte zu Boden. Helfer brachten ihn in Sicherheit. Nun kämpften nur noch zwei Männer um den Sieg.
    Die Sympathien waren klar verteilt. Jedes Mal, wenn der andere Mann ein Stück vorne lag, schwappte der Applaus wie eine Welle durch das Hippodrom, und jedes Mal, wenn Timon die Führung übernahm, war nur noch das Getrampel der Pferde zu hören.
    Der andere

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