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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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diesem Abend einige Vorurteile mich betreffend ziemlich rigoros zurechtgerückt. Jetzt rufen sie tagtäglich an, alle diese Immobilienmakler, Autohändler und Jagdpächter. Es hagelt Einladungen zu Grillfesten und Gartenpartys. Ich sage immer ab: Carola trainiert. Oder Carola fastet.«
    »Und die Bodybuilderin? Die macht so was einfach mit?«
    »Die hat den Abend genossen wie ein Bad in Champagner. Alle die geifernden Typen um sie herum – und die herausgeputzten Gattinnen, die völlig abgemeldet waren.«
    Der große Abend kam. Schmalenbach hatte seinen Auftritt getimed. Sie waren alle längst da. Der Begrüßungssekt war schon abgeräumt. Da rauschte er herein. An seiner Seite die Bodybuilderin aus Darmstadt. In einem Kleid, das jeden Moment zu platzen drohte.
    Alle Gespräche erstarben. Hinten ließ die Gattin des besten Hundertmeterläufers der Klasse – eine Modeschöpferin aus Yokohama mit eigener Bohrinsel vor Schottland – ihr Glas fallen und brach in Tränen aus. Der Klassensprecher – verheiratet mit Europas bester Sopranistin – trat vor und stotterte (wie ehedem): »Das ist eine ge … geschlossene Gesellschaft.«
    »Ich weiß. Ich bin Schmalenbach.«
    Der Klassensprecher schaute sich unsicher um. Der Zahnarzt aus Friedberg und der Anwalt aus Wiesbaden schüttelten die Köpfe. »Das … das kann nicht sei … sein. Schmalenbach war immer … Seine Freundin … damals … sie war bei den Wei … eight Watchers.«
    »Gibt’s denn hier nichts zu trinken?«, fragte die Bodybuilderin genervt.
    Sofort waren der Friedberger Zahnarzt und der Wiesbadener Anwalt mit je zwei Gläsern Sekt zur Stelle.
    Die Herren drängten nach vorne, als ginge es darum, bei der Pausenöffnung des hausmeisterlichen Verkaufsstandes der Erste zu sein. Abwechselnd klopften sie Schmalenbach auf die Schulter. »Mann, du hast ein Glück. Stimmt es, dass sie jeden Tag eine Stunde nackt auf dem Kopf steht?«
    »Ja, das stimmt. Eine indische Tradition. Wegen der Durchblutung ihrer Sexualorgane.«
    »Kommst du überhaupt noch zum Arbeiten, bei so einer Frau?«
    »Am Wochenende schließen wir uns immer ein und ziehen das Telefonkabel aus der Wand.«
    »Die anderen Frauen in diesem Bodybuilding-Club in Darmstadt, wie sind die denn?«
    »Nett und gut gebaut. Alle. Aber den meisten fehlt die ethische Reife.«
    »Verstehe. Und die ist für dich wichtig?«
    »Unbedingt. Ohne die entsprechende ethische Reife läuft bei mir gar nichts. Schon rein physiologisch nicht.«
    »Du musst ja beruflich ganz im Zenit stehen. Bei so einer Spitzenfrau! Wie hast du das geschafft?«
    »Ach Gott, ein Rezept gibt’s da nicht. Vielleicht so viel: Sich selbst unbedingt treu bleiben. Keine Kompromisse eingehen. Niemals jemandem bloß gefallen wollen.«
    Alle nickten andächtig. Da klatschte die Bodybuilderin in die Hände und rief: »Damenwahl!« Im Nu tanzten alle. Schmalenbach hatte eine Pianistin abbekommen, die an der Sorbonne über den Begriff der Friedlichen Koexistenz habilitiert hatte und keine fünfzig Kilo wog.
    »Geht Ihnen dieser oberflächliche Körperkult nicht auch ungemein auf die Nerven, Herr Schmalenbach?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    In diesem Moment rauschte Elke herein. Sie war unfrisiert und trug unter dem Mantel ihren rosa Hausanzug.
    »Wer si … wer sind Sie denn?«, fragte der Klassensprecher.
    »Schmalenbachs Frau«, antwortete Elke stolz. »Ich bin nur gekommen, um ihm zu sagen, dass ich sowieso nicht mitgegangen wäre. Auch wenn er mich darum gebeten hätte statt diese oberflächliche Person an seiner Seite. Ich habe andere Interessen. Heute Abend zum Beispiel läuft auf 3sat die Wiederholung der Talkshow vom Dienstagabend.«
    »Das soll ja ein Knaller gewesen sein«, sagte die Greenpeaceaktivistin.
    »Wer die verpasst hat, kann gar nicht mehr mitreden«, flötete Elke. »Schönen Abend noch.«
    Die Vorstandsvorsitzende stellte sich ihr in den Weg.
    »Was soll das heißen?«
    »Ja, haben Sie denn nicht gehört, was am Dienstagabend in der Talkshow los war?«
    Die Frau, die einen Bestseller über ihre Schwester geschrieben hatte, mischte sich ein. »Ich bin mit dem Talkmaster seit Jahren eng befreundet, der hätte mir doch was gesagt …«
    Die Frauen waren außer sich, sie bestürmten Elke zu bleiben. Wieder war es der Zahnarzt aus Friedberg, der eingriff: »Moment, meine Damen, ich appelliere an Sie, nicht zu vergessen, dass Sie sich hier auf unserem Klassentreffen befinden!«
    »Du hältst jetzt deine Klappe!«, beschied ihm seine

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