Die Schlucht
wie sie vermutlich vor dem Mord ausgesehen haben?«
»Doch.«
»Und warum haben Sie die Bilder Lord Bullerton nicht gezeigt?«
»Weil Sable und Margot dabei waren.«
»Was halten Sie denn von Margot?«
»Es kommt ja öfter vor, dass sich Schwestern nicht mögen oder sich sogar regelrecht hassen. Ich fand Sable ziemlich provokativ, zum Beispiel, als sie an ihrer Diamantbrosche herumgespielt hat.«
»Ich fand Sable eigentlich ganz sympathisch.«
»Das mag schon sein«, antwortete Tweed, »aber Sie wissen doch, wie Ihr eigenes Geschlecht manchmal so ist.«
»Seltsam fand ich übrigens, dass Falkirk dort war, und das nach Voranmeldung. Glauben Sie, dass er wirklich nach einem Job gesucht hat? Oder könnte es nicht auch sein, dass ihn Lord Bullerton nur gedeckt hat und er eigentlich wegen etwas ganz anderem in Hobart House war? Ich frage mich, für wen Falkirk tatsächlich arbeitet.«
»Dafür gibt es ja eine ganze Reihe von Kandidaten. Lord Bullerton, Chief Inspector Reedbeck oder Archie MacBlade, um nur ein paar zu nennen … Aber schauen Sie einmal nach vorn. Ich glaube es nicht!«
Ein ziemlich ramponiert aussehender Fiat war direkt vor ihnen hinter einer Hecke hervorgeschossen und fuhr nun in gemächlichem Tempo vor ihnen her. Harry Butler, der am Steuer des Fiats saß, winkte ihnen zu und fuhr weiter nach Gunners Gorge. Tweed folgte ihm.
»Wo Harry wohl in den vergangenen Stunden gewesen sein mag?«, überlegte Paula.
»Das wird er uns vermutlich gleich selbst sagen.« Sie waren in Gunners Gorge angekommen, und Butler fuhr auf den Parkplatz des Nag's Head. »Vielleicht hat er Informationen aus London.«
In einer Ecke des Parkplatzes stand ein nagelneuer Maserati. Als sie ausgestiegen und zu Harry Butler gegangen waren, deutete er auf den Wagen.
»Der gehört Lance Mandeville, Lord Bullertons zwanzigjährigem Sohn«, erklärte Butler. »Der junge Mann ist sehr höflich und ziemlich beliebt bei den Leuten im Dorf. Aber ich habe etwas für Sie, Tweed. Es kam per Kurier aus London.«
Tweed erbrach das Siegel auf dem Umschlag, den ihm Harry gegeben hatte. Er enthielt eine kurze Mitteilung von Howard sowie einen viele Seiten starken spiralgebundenen Bericht. Tweed überflog die erste Seite und reichte das Dokument weiter an Paula.
»Das ist Professor Saafelds vorläufiger Autopsiebericht. Jetzt wissen wir, wie die beiden Frauen ums Leben gekommen sind.«
»Tatsächlich?«, fragte Paula, nachdem sie die Zusammenfassung auf der ersten Seite gelesen hatte. »Meinen Sie das Chloroform?«
»Saafeld hat Spuren davon in Nasenlöchern und Mund der Frau entdeckt, die wir vor dem ersten Haus gefunden haben - aber nicht bei der anderen Frau vor dem Haus hinter der Kurve. Ich denke, dass der Mörder seine Opfer genau beobachtet und herausgefunden hat, dass die zweite Frau immer einige Zeit gebraucht hat, um die Haustür aufzuschließen. Deshalb griff er zuerst die erste Frau von hinten an, drückte ihr einen Wattebausch mit Chloroform auf Nase und Mund und schnitt ihr die Kehle durch, bevor er ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verunstaltete. Dann ging er um die Ecke zum Haus seines zweiten Opfers, von dem er wusste, dass es immer später nach Hause kam als das erste. Während sich die Frau mit dem Haustürschloss abmühte, hatte er genügend Zeit, sich unbemerkt anzuschleichen, ihr den Kopf an den langen Haaren nach hinten zu ziehen und sie ebenfalls zu töten.«
»Das klingt logisch«, sagte Paula. Kurz dachte sie daran, dass sie Tweed noch immer nicht von dem Tunnel erzählt hatte, aber sie kam auch jetzt nicht dazu, weil Butler wieder das Wort ergriff.
»Es gibt noch mehr Neuigkeiten«, berichtete er aufgeregt. »Ich weiß, wer auf Sie geschossen hat, als Sie auf dem Weg nach Hobart House waren. Ein Profikiller namens Lepard.«
»Wer immer mich ausschalten will, er lässt es sich was kosten«, erklärte Tweed. »Lepard ist einer der teuersten seines Fachs. Das bedeutet wiederum, dass wir nach jemandem suchen müssen, der sehr viel Geld hat.«
»Nehmen Sie das mit dem Killer nicht auf die leichte Schulter«, warnte ihn Harry. »Ich konnte gerade noch sehen, wie er hinter einer Hecke auf Sie angelegt und abgedrückt hat. Ich habe ihn dann verfolgt, aber er hatte eine Harley-Davidson, gegen die mein alter Fiat keine Chance hatte.«
»Sind Sie ganz sicher, dass es Lepard war?«, fragte Tweed.
»Die Killer seines Formats habe ich alle im Kopf. Ich weiß genau, wie sie aussehen und wie sie ihre Aufträge
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