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Die Schlucht

Titel: Die Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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kamen, wo der Pfad zwischen großen Gesteinsblöcken hindurchführte. Tweed hatte Recht gehabt, denn wenn ein Block mitten im Weg lag, mussten sie auch über ihn hinüberklettern.
    Oben am Hochmoor angelangt, verzog Tweed das Gesicht.
    »Die Moore in Yorkshire sehen aber anders aus«, meinte er, während er einen Zweig von einem Stechginsterstrauch abriss. Die wenigen gelben Blüten, die an dem Zweig waren, hingen schlaff herab. Außerdem war der Zweig mit einer klebrigen, übelriechenden Flüssigkeit überzogen.
    »Hier stimmt etwas nicht«, sagte Tweed, während er den Zweig wegwarf. Neben dem Weg sahen sie jetzt die Schwellen und Schienen einer schmalspurigen Eisenbahn.
    »Was ist das?«, fragte Paula und deutete auf ein zwei Meter langes Stahlrohr mit zehn Zentimetern Durchmesser, das im Heidekraut neben den Gleisen lag. Tweed blickte ihr über die Schulter.
    »Vermutlich eine Stütze, mit der man in Bergwerken die Stollenwand abstützt«, erklärte er. »Man sieht das an den quadratischen Stahlplatten, die am oberen und unteren Ende angeschweißt sind. Aber ich habe auch etwas entdeckt. Sehen Sie die tiefen Furchen da drüben im Boden? Die sehen so aus, als wären dort schwere Lastwagen gefahren.«
    »Und was hat dieser schreckliche Gestank zu bedeuten?«, fragte Paula und rümpfte die Nase.
    »Der kommt vielleicht von einer Fabrik auf der anderen Seite des Berges. Vielleicht verbrennen die dort irgendwelche Dinge, von denen niemand etwas wissen soll.«
    »Mir gefällt es hier überhaupt nicht«, stellte Paula fest. »Es ist richtig unheimlich.«
    »Dann lassen Sie uns zurückgehen«, erwiderte Tweed und setzte sich in Bewegung. Paula, die erst noch einen losen Schnürsenkel zubinden musste, folgte ihm in einigem Abstand, wobei sie sich immer wieder fragte, weshalb die Ginsterbüsche hier oben nur so kümmerlich waren.
    Tweed unter ihr wurde immer schneller, und der Abstand zwischen ihnen vergrößerte sich zunehmend. Paula überlegte sich gerade, ob sie nicht losrennen und versuchen sollte, ihn einzuholen, als ihr plötzlich ein seltsamer Ginsterbusch ins Auge stach. Sie ging hin, um ihn sich genauer anzusehen, musste aber feststellen, dass es gar kein Busch war, sondern abgeschnittene Ginsterzweige, die jemand zu einem großen Haufen aufgetürmt hatte.
    Neugierig geworden, räumte Paula die Zweige beiseite und entdeckte auf einmal ein großes Loch im Hang, das sich bei näherer Untersuchung als der Eingang zu einem steil in den Berg hineinführenden Stollen herausstellte. Paula zog eine Taschenlampe aus ihrer Umhängetasche und leuchtete damit in den Stollen hinein, der etwa eineinhalb Meter hoch war. Seine Wände waren mit halbrund geformtem Wellblech ausgekleidet. Nach ein paar Metern verlor sich der Lichtstrahl in der Dunkelheit.
    Als Paula die Taschenlampe wieder ausschaltete, bemerkte sie einen großen Felsblock direkt neben dem Haufen aus Ginsterzweigen. Sollte das vielleicht eine Markierung sein?
    Paula arrangierte die Zweige wieder vor dem Stolleneingang und eilte dann Tweed hinterher, der inzwischen schon wieder vor Hobart House angelangt war.
    Als sie völlig außer Atem bei ihm ankam, schloss er gerade den Audi auf. Sie wollte ihm schon von dem Tunnel erzählen, da erkannte sie, dass er angestrengt über etwas anderes nachdachte, und verstummte.
    Als sie schweigend die Straße zurückfuhren, drehte sich Paula noch einmal um und warf einen letzten Blick auf das imposante Herrenhaus.
    »Von außen sieht es so friedlich aus«, sagte sie nachdenklich, »aber drinnen geht es ganz anders zu.«
    »Ja, Familien können sich manchmal bis aufs Blut bekämpfen«, sagte er geistesabwesend. »Was mich viel mehr beschäftigt, ist die Tatsache, dass Sable uns nicht hinaus auf die Terrasse begleitet hat. Vielleicht hat sie gespürt, wie sich die Laune ihres Vaters verändert hat.«
    »Vielleicht. Aber was hat das alles mit den beiden Mordfällen in London zu tun, die wir ja eigentlich aufklären sollen?«
    »Wissen Sie, was ich mich frage?«
    »Was denn?«
    »Ob wir nicht durch Zufall in eine Sache hineingeraten sind, die so groß ist, dass sie unser gesamtes Vorstellungsvermögen übersteigt.«

9
    Sie fuhren den von Hecken gesäumten Weg zurück ins Dorf, als Paulas Blick auf die schmale Aktentasche aus Leder fiel, die Tweed nach Hobart House mitgenommen, dort aber nie geöffnet hatte.
    »Da sind doch nicht etwa die beiden Bilder drin, die Ihnen Hector gegeben hat - die Bilder von den beiden ermordeten Frauen,

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