Die Schlucht
reinste Festmahl.«
Als alle mit dem Essen fertig waren, räumte Paula das Geschirr ab und trug es nach unten in die Kombüse.
Draußen sank die tiefrote Sonne ganz langsam am westlichen Horizont ins Meer.
»Sollten Sie nicht die Positionslichter einschalten?«, fragte Butler.
»Den Teufel werde ich tun. Ich habe keine Lust, von Noak Island aus beschossen zu werden.«
»Aber ist das Führen von Positionslichtern nicht Vorschrift?«
»Keine Sorge, hier draußen fährt schon keine Küstenwache herum.«
Eine Stunde später war es völlig dunkel. Ben hatte das Licht auf der Brücke ausgeschaltet, und die Tiger glitt mit ihren schallgedämpften Maschinen fast unhörbar durch die Nacht.
»Sehen Sie mal, da vorn«, sagte Marler, der immer noch am Ruder stand. Tweed ließ sich von Ben ein Nachtglas reichen und schaute damit in die von Marler angegebene Richtung. Vor dem mit Sternen übersäten Nachthimmel zeichnete sich deutlich der Rumpf eines großen Schiffes ab
»Das ist ein großer Öltanker«, sagte Tweed. »Möglicherweise der, der vor Wochen in Südostasien von Piraten überfallen wurde.«
»Und warum sollte der ausgerechnet hier liegen?«
»Das kann ich nicht sagen. Aber vielleicht hat es ja etwas mit der Insel zu tun.«
Tweed bewegte das Glas nach links und sah nicht weit von dem Tanker entfernt einen hohen Tafelberg aus dem Wasser ragen.
»Das ist Noak Island«, sagte Ben. »Der Tanker liegt direkt davor. Und Öl kann er auch nicht mehr viel in seinem Rumpf haben, sonst würde er viel tiefer im Wasser liegen.«
»Können Sie uns so schnell wie möglich an Land bringen?«, fragte Tweed.
»Da vorn ist eine Bucht, die man vom Berg aus nicht einsehen kann. Da bringe ich Sie hin.«
Die Tiger glitt leise wie ein Windhauch über das spiegelglatte Meer. Ihr Rumpf musste eine ganz aus geklügelte Form haben, denn das Boot hinterließ, obwohl es noch mit ziemlich hoher Geschwindigkeit fuhr, so gut wie kein Kielwasser.
Es dauerte nicht lange, dann hatten sie den Tanker erreicht, der tatsächlich nahe der Insel vor Anker lag. Er schien verlassen zu sein, jedenfalls brannte nirgends an Bord ein Licht.
»Sehen Sie die Schläuche, die über die Bordwand hängen?«, fragte Marler. »Sie führen direkt zu der kleinen Bucht. Vermutlich wurde durch sie das Öl aus dem Tanker auf die Insel gepumpt.«
»Dann haben die Piraten wohl für Neville Guile gearbeitet«, sagte Tweed. »Es würde mich nicht wundern, wenn sie jetzt mit Kopfschuss unten in der Bilge lägen. Guile kommt mir nicht wie jemand vor, der unliebsame Zeugen am Leben lässt.«
Paula starrte an dem Tanker vorbei auf die Insel, die sich vor ihnen wie ein riesiger Tafelberg aus dem Meer erhob.
»Müssen wir da hinauf?«, fragte sie bang und deutete auf eine fast senkrechte Felswand direkt oberhalb der kleinen Bucht, die wie ein natürlicher Hafen war.
»Ich fürchte, ja«, antwortete Tweed. »Aber keine Angst, an der Wand gibt es mehrere lange Stahlleitern, auf denen wir nach oben klettern können.«
»Na wunderbar«, erwiderte Paula sarkastisch. »Sie wissen ja, wie gern ich solche Kletterpartien habe.«
»Am besten holen Sie jetzt Ihre Sachen«, sagte Ben. »Marler bringt Sie mit dem Schlauchboot an Land. Aber sehen Sie zu, dass Sie keinesfalls länger als eine Stunde auf der Insel bleiben. Sonst wird es mir hier zu
gefährlich.«
»Wir werden uns daran halten«, erwiderte Tweed.
»Und denken Sie dran: Wenn ich angegriffen werde, muss ich diese Bucht sofort verlassen. Ich habe keinerlei Waffen an Bord und will nicht riskieren, dass mir jemand mein Boot versenkt.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Tweed und verließ, gefolgt von den anderen, die Brücke.
Unten im Aufenthaltsraum bereiteten sie sich auf ihren Landgang vor. Sie zogen sich schwarze Jacken an und schmierten sich schwarze Schminke ins Gesicht, damit sie in der Dunkelheit nicht so leicht zu sehen waren. Außerdem überprüften alle ihre Waffen und vergewisserten sich, dass sie auch genügend Extra-Munition dabei hatten.
Als sie mit den Vorbereitungen fertig waren, sagte Marler: »Dann wollen wir mal. Ich denke, Ben hat inzwischen das Schlauchboot klargemacht.«
Sie gingen an Deck und kletterten über eine Strickleiter in ein kleines Schlauchboot, das schon längsseits der Tiger lag. Butler, der als Erster im Boot war, ließ sich von Marler seinen Seesack mit den Feuer-bomben herunterreichen, verstaute ihn am Heck und setzte sich auf eine der zwei Bänke. Nachdem alle an Bord waren,
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