Die Schlucht
auf den Radarschirm starrte.
»Welcher Sturm?«, gab er zurück. Ebenso wie Marler und Butler schien er die Ruhe selbst zu sein. »Was wir hier erleben, ist nur der Seegang, der dem Sturm vorausgeht. Aber keine Sorge, wenn wir weiterhin so schnell fahren können wie jetzt, schaffen wir es vielleicht, dem Orkan davonzufahren.«
»Für mich ist das ein Sturm«, keuchte Tweed, dem hundeelend war.
»Wenn Sie sich übergeben müssen, dann gehen Sie bitte nach unten«, sagte Ben.
»Ich höre doch ganz deutlich den Wind heulen«, beharrte Tweed.
»Das ist kein Wind«, mischte sich Marler ein. »Das klingt wie …«
»Ein Flugzeug!«, schrie Paula. »Alles in Deckung!«
Sie hatte aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie der Business-Jet, der vor nicht allzu langer Zeit von der Startbahn auf der Insel abgehoben hatte, im Tiefflug auf sie zugeschossen kam. In seine Tragflächen waren Maschinengewehre eingebaut, aus denen das Flugzeug auf die Tiger feuerte.
Alle auf der Brücke warfen sich zu Boden, während eine Salve von Geschossen die Fensterscheiben durchschlug.
»Ist jemand verletzt?«, fragte Ben, als das Flugzeug über sie hinweggedonnert war.
Alle verneinten. Sie sprangen wieder auf und blickten aus dem Fenster, wo das Flugzeug soeben in der Dunkelheit verschwunden war.
»Das müssen Wahnsinnige sein«, sagte Ben. »Bei diesem Wetter so tief über dem Wasser zu fliegen.«
»Schnell, wir müssen etwas tun«, sagte Tweed. »Die fliegen bestimmt gleich einen weiteren Angriff.«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass dieses Boot nicht bewaffnet ist. Und davonfahren kann ich ihnen auch nicht.«
»Aber eine Notfallausrüstung haben Sie doch sicher an Bord, oder?«, fragte Paula.
»Natürlich. Aber wozu sollte die gut sein?«
»Dazu gehört sicher auch eine Signalpistole mit Leuchtkugeln.«
»Ja.«
»Dann geben Sie sie mir bitte.«
Ben öffnete einen Schrank in der Wand und nahm eine schwere Pistole mit großer Mündung heraus.
»Ist eine Leuchtkugel drin?«, fragte Paula.
»Ja, eine rote.«
»Die Farbe ist egal. Her damit!«
Mit der Pistole, die Ben ihr ausgehändigt hatte, trat Paula an eines der zerschossenen Fenster und beugte sich weit hinaus. Es dauerte nicht lange, da raste das Flugzeug nur wenige Meter über den Wellenkämmen erneut heran. Paula zielte sorgfältig, bedachte die Geschwindigkeit des Flugzeugs und drückte ab. Die Leuchtkugel schoss nach oben, wobei sie eine kleine helle Rauchfahne hinter sich herzog, und explodierte genau in dem Moment, in dem das Flugzeug erneut das Feuer eröffnete, direkt vor den Fenstern des Cockpits. Das grelle Licht blendete den Piloten, der vor Schreck zu schießen aufhörte und die Maschine mit laut aufheulenden Triebwerken steil nach oben zog.
Paula sah dem Flugzeug nach und stellte erleichtert fest, dass es in Richtung Küste verschwand.
»Die haben wohl genug«, sagte Tweed und nickte Paula anerkennend zu. »Dabei haben sie noch Glück gehabt. Hätten Sie die Leuchtkugel in eines der Triebwerke geschossen, wäre die Maschine mit Sicherheit abgestürzt.«
»Vermutlich werden sie auf einem der Londoner Flughäfen landen«, mutmaßte Paula.
»Das glaube ich eher nicht«, schaltete Ben sich ein. »Wenn einem Piloten eine Leuchtkugel genau vor dem Gesicht explodiert, ist er bestimmt nicht mehr flugtauglich. Und in der Richtung, in die sie geflogen sind, gibt es direkt hinter der Küste einen kleinen Privatflugplatz, der etwa drei Meilen hinter Seaward Cove im Inland liegt. Möglicherweise landen sie schon da.«
»Wo liegt denn der Flugplatz genau?«, fragte Tweed.
»Oberhalb der Straße, auf der Sie nach Seaward Cove gekommen sind. Er wird von einer obskuren Privatfirma namens VVV betrieben. Die drei Buchstaben sind die Abkürzung für ›veni, vidi, vici‹.«
»›Ich kam, sah und siegte‹«, übersetzte Paula. »Der berühmte Satz aus Caesars ›Gallischem Krieg‹.«
»Aha, da hat eine in der Schule Latein gehabt«, sagte Ben mit einem verschmitzen Lächeln. »Die Firma ist immer wieder mal in die Schlagzeilen gekommen, weil sie den Flugplatz wegen gravierender Sicherheitsmängel eigentlich schließen müsste, es aber nicht tut. Anscheinend schafft sie es, die Behörden an der Nase herumzuführen. Man munkelt, der Firmenchef hätte gute Beziehungen zu Regierungskreisen.«
»Was für Sicherheitsmängel sind das denn?«, wollte Tweed wissen. »Ist das Radar defekt, oder funktioniert die Beleuchtung der Landebahn nicht?«
»Nein, etwas ganz
Weitere Kostenlose Bücher