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Die Schlucht

Titel: Die Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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Shipton in Wirklichkeit die Schwester von Lord Bullertons verstorbener Frau?«
    »Ja. Und das hat die beiden Schwestern entzweit. Jennifer hat die Ehe nie gebilligt, weil Lord Bullerton als ein Mann galt, der sich gern mit zweifelhaften Damen vergnügte. Sie brach den Kontakt zu Myra ab, die daraufhin so tat, als hätte es Jennifer nie gegeben. So erzählen es zumindest meine Informanten in Barham-Downstream. Bis zu ihrem Tod hat Myra mit ihrer Schwester weder telefonisch noch brieflich verkehrt. Sie muss Jennifer aus ihrem Gedächtnis gestrichen haben.«
    »Das würde bedeuten, dass Lord Bullerton gar nicht weiß, wer seine Haushälterin in Wirklichkeit ist«, sagte Tweed. »An Rache als Motiv habe ich bisher noch überhaupt nicht gedacht.«
    »Und was haben Sie jetzt vor?«, fragte Paula.
    »Dieser Mrs Shipton auf den Zahn fühlen, ist doch klar.«
    Tweed griff nach dem Telefon und rief in Hobart House an. Er hatte Glück, und Mrs Shipton hob selbst ab.
    »Na, sind Sie von Ihrer Spazierfahrt schon zurück?«, fragte er.
    »Ja. Irgendwie haben Sie mir mit Ihrem Gerede die Freude daran genommen.«
    »Das tut mir wirklich leid, Mrs Shipton. Ich wünschte, ich könnte das irgendwie wiedergutmachen.« Tweed konnte, wenn er wollte, unglaublich charmant sein. »Dürfte ich Sie vielleicht morgen ins Nag's Head zum Abendessen einladen? Das würde mein schlechtes Gewissen enorm beruhigen, und außerdem würde es mir großen Spaß machen, mit einer so außergewöhnlich intelligenten Frau wie Ihnen einen Abend zu verbringen.«
    »Wirklich?« Es entstand eine kurze Pause, als würde Mrs Shipton vor lauter Freude die Luft anhalten. »Ich nehme Ihr großzügiges Angebot natürlich gern an. Ich denke, dass ich es bis acht Uhr schaffen könnte. Ist Ihnen das recht? Falls nicht, können Sie auch gern eine andere Uhrzeit vorschlagen.«
    »Acht passt wunderbar. Dann bis morgen Abend. Gute Nacht, Mrs Shipton.«
    Als er aufgelegt hatte, wandte sich Paula, die inzwischen mit Marler getuschelt hatte, an ihn.
    »Wissen Sie was?«, fragte sie. »Marler und ich würden gern noch in den Ort gehen.«
    »Um diese Uhrzeit?«
    »Marler sagt, dass in Gunners Gorge noch mächtig was los ist. Die Aristokratie hat eben einen anderen Lebensrhythmus als normale Menschen.«
    »Wenn das so ist, dann komme ich mit«, sagte Tweed. »Nach diesem anstrengenden Tag tut mir etwas Ablenkung bestimmt gut.«
    Kurze Zeit später verließen sie das Hotel und gingen zu Fuß in die Ortschaft. Als Paula die Hauptstraße sah, fielen ihr zum ersten Mal die eleganten, alten Straßenlaternen auf, die noch aus viktorianischer Zeit stammten.
    »Sehen Sie nur!«, rief sie aus. »Da haben sogar noch ein paar Geschäfte offen.«
    »So sind sie, die Aristokraten auf dem Land«, schmunzelte Marler. »Morgens schlafen sie lange, dann machen sie einen langen Ausritt über ihre Ländereien, um überall nach dem Rechten zu sehen. Anschließend duschen sie sich und essen etwas, bevor sie ihren Nachmittagsschlaf halten. Erst spätabends ziehen sie sich dann gut an und gehen essen und machen danach noch einen kleinen Einkaufsbummel.«
    »Was kaufen sie denn ein?«, wollte Paula wissen.
    »Lebensmittel auf jeden Fall nicht«, erwiderte Marler. »Die normalen Läden haben nämlich längst zu. Ist ja auch logisch, denn die Haushälterinnen haben bereits untertags eingekauft. Aber es gibt da auch noch ein paar Spezialgeschäfte. Sehen Sie nur, Tweed ist gerade in einem verschwunden.«
    Paula folgte Tweed in den Laden, über dessen Eingangtür ein großes Schild prangte, auf dem nur ein Name stand: Edwin Cocker .
    Drinnen stand Tweed und betrachtete versonnen ein wunderschön gemachtes Holzmodell eines Pferdes, das schwarz lackiert war. Es war gut einen Meter hoch.
    »Herzlich willkommen, die Herrschaften«, sagte der Besitzer des Ladens und kam hinter einer Theke aus dunklem Holz hervor. Er war ein groß gewachsener, schlanker Mann mit einem länglichen Gesicht und angenehmer Ausstrahlung. »Ich bin Edwin Cocker«, sagte er. »Alles, was Sie hier sehen, habe ich selbst geschnitzt. Sehen Sie sich nur in Ruhe um, hier herrscht kein Kaufzwang.«
    »Vielen Dank«, sagte Tweed und ging zu einem Regal hinüber, auf dem wunderschön geschnitzte Schachfiguren aufgereiht waren. Tweed wählte einen Bauern und wandte sich dann an Cocker.
    »Würden Sie mir den bitte einpacken?«, fragte er.
    »Sehr gern«, erwiderte Cocker und zog aus einer Schublade eine Schatulle aus poliertem Mahagoni, deren

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