Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
einen anderen Weg geben. Arthur verlangsamte seine Schritte noch mehr, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Er hatte schon den halben Weg zurückgelegt, ihm blieb weniger als eine Minute Freiheit. Es musste eine Lösung geben! Konnte er den Schlüssel irgendwie benutzen?
Als er ihn ansah – er trug ihn noch dicht am Oberschenkel – ging ihm auf, dass er ein weiteres Problem hatte. Der Polizist durchsuchte alle Kinder, bevor er sie in den Bus steigen ließ, und zu seinen Füßen hatte sich schon ein kleiner Haufen von Taschenmessern, Pfefferspray und Ähnlichem angesammelt. Ein viel kleinerer Haufen, als er es an Arthurs alter Schule gewesen wäre, und auch ohne Pistolen, aber dennoch mit einigen tödlichen Waffen.
In den Augen des Polizeibeamten würde der Schlüssel kein Kunsterziehungsprojekt sein, das Arthur behalten musste, sondern ein langes, dünnes und seltsam geformtes Messer. Er würde es ihm ganz bestimmt wegnehmen, und dann …
Arthur würde wieder einen Asthmaanfall bekommen. Er hatte zwar seinen Inhalator noch, aber nach all dem Rennen, Kämpfen und Raucheinatmen konnte er sich nicht vorstellen, dass ihm das Ding viel nützen würde.
Plötzlich wurde ihm klar, dass der Schlüssel das Einzige war, was ihn am Leben hielt.
»Los, Kind, beeil dich!«, rief der Polizist.
K APITEL A CHT
D
er Polizist klang durch die Maske erst recht bedrohlich und kaum noch wie ein Mensch. Der letzte Schüler hatte den Bus bestiegen, und die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des Polizeimeisters ruhte jetzt auf Arthur.
Die Aufforderung beendete Arthurs Zögern, und ein Plan formte sich plötzlich in seinem Kopf. Ohne weiter darüber nachzudenken, setzte er ihn in die Tat um.
»Ich bin …«, erklärte Arthur, »ich bin …«
Er schob den Schlüssel tief in seine Tasche und stieß die Spitze durch den Stoff, sodass das Metall durchrutschte und sein Bein berührte. Dann ließ er los.
Der Effekt stellte sich augenblicklich ein. Obwohl er immer noch etwas Kontakt zu dem Schlüssel hatte, veränderte sich seine Atmung sofort. Es war, als ob ihm jemand mit einem festen Schlag auf die Brust die Lungenkapazität um fünfzig Prozent verringert hätte.
»… Asthmatiker!«, keuchte Arthur und brach zehn Schritte vor dem Beamten zusammen. Trotz dieser Erklärung und obwohl der Mann durch den Seuchenanzug geschützt war, sprang er zurück auf die Stufen des Busses, als würde er gerade Zeuge der Auswirkung des neuen Virus.
Arthur tastete in seiner anderen Tasche nach dem Inhalator und führte ihn an den Mund, rollte sich dabei auf die Seite, sodass mehr von dem Schlüssel sein Bein berührte. Ungefähr die Hälfte lugte jetzt durch seine Tasche, und das kühle Metall auf der Haut verschaffte seiner Lunge Erleichterung. Er hoffte, dass die runde Öse am Ende des Schlüssels verhindern würde, dass er beim Aufstehen aus der Hose fiel.
»Sanitäter!«, rief der Polizist, löste dabei den Riemen an seinem Halfter und griff nach seinem Pistolenkolben. »Sanitäter!«
»Asthma!«, keuchte Arthur wieder. Er nahm ein paar Züge Spray, dann hielt er den Inhalator hoch, sodass der Polizist ihn sehen konnte. Arthur hatte nicht einkalkuliert, dass der Mann sich so sehr vor dem Virus fürchten und deswegen ein Kind erschießen könnte.
Der Rettungsarzt, der Arthur eben noch untersucht hatte, kam schon herübergelaufen, ebenso ein anderer Arzt, mehrere Polizisten und zwei Soldaten. Es sah so aus, als wäre Arthurs Zusammenbruch die Einladung zum Handeln gewesen, auf die sie alle gewartet hatten. Er hoffte, dass die Soldaten nicht so schreckhaft wie der Polizeimeister waren. Sie hielten beide irgendeine Sorte von Hightech-Maschinenpistole in der Hand.
Der Rettungsarzt erreichte ihn zuerst. Er nahm den Inhalator und half Arthur, einige Züge zu nehmen, während er gleichzeitig sein Köfferchen aufklappte und irgendetwas darin suchte. Obwohl Arthur sein Gesicht hinter der Atemschutzmaske nicht sehen konnte, war klar, dass der Mann ärgerlich war.
»Warum hast du mir nicht erzählt, dass du Asthmati ker bist?«, fragte er. »Ist in Ordnung, Wachtmeister. Er hat Asthma, nicht die Schlafseuche. Außerdem würde das Erschießen von Patienten nur Stücke infektiösen Materi als durch die Gegend schleudern; ich kann es daher nicht empfehlen.«
»Tut … tut … mir leid«, röchelte Arthur.
»In Ordnung, entspann dich!«, antwortete der Rettungsarzt. Er wandte sich an seine Kollegen. »Wir sollten ihn besser mitnehmen. Holen Sie
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