Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
es Blut war. Die Feldwebel hatten hellblaues Blut, während das Blut der gewöhnlichen Portiers silbrig war und wie Quecksilber floss, in dicken Perlen und träge.
»Komm endlich!«, schrie Susi.
Arthur riss den Blick von der Schlacht los und peilte den Balkon an. Er konnte es schaffen, das wusste er. Wenn es nicht so ein langer Sturz nach unten wäre, hätte er keinen zweiten Gedanken daran verschwendet. Aber es war ein langer Sturz …
»Beeil dich!«
Arthur duckte sich und setzte schon zum Sprung an, als ihm der Schlüssel einfiel und er ihn herausnahm. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, sich bei der Landung aufzuspießen.
Mit dem Schlüssel in der Hand verspürte er neue Zuversicht. Er duckte sich, sprang dann weit ins Leere und schwebte sanft wie eine Feder auf den Balkon nieder, wobei er kaum in die Knie gehen musste. Susi Blau war schon verschwunden; die Tür schlug hinter ihr auf und zu. Arthur folgte ihr und steckte den Schlüssel wieder einmal in den Gürtel unter sein Hemd.
Das Zimmer hinter dem Balkon war wie ein altmodisches Büro eingerichtet, was Arthur nicht sonderlich überraschte. Da standen niedrige, breite Schreibtische aus glänzendem Holz mit grünem Leder auf der Platte, die alle mit Papieren übersät waren, und Regale, die mit weiteren Papieren und mit Büchern vollgestopft waren. Gasleuchten brannten in jeder Ecke, und unter einem dieser Lichter sah Arthur den ersten Hinweis auf die Existenz von Lebensmitteln: einen bronzenen Heißwasserkessel mit vielen kleinen Hähnen, eine silberne Teekanne und mehrere Porzellantassen.
Auch waren hier Leute bei der Arbeit; sie blickten auf, als Susi und Arthur vorbeiliefen, sagten aber nichts und versuchten auch nicht, sie aufzuhalten. Selbst als Arthur im Vorbeisausen einen großen Stapel Pergamente von der Ecke eines Schreibtisches stieß, blieb der Mann da hinter still und kratzte weiter mit der Feder übers Papier – obwohl er kurz aufblickte und die Stirn runzelte.
Susi rannte aus dem Büro und sprang die Haupttreppe hinunter. An deren Fuß angelangt, ließ sie den Vordereingang links liegen und ging durch einen engen Korridor, öffnete eine Tür, die aussah, als führte sie in einen Besenschrank, und ging hinein. Arthur folgte ihr und stellte fest, dass es sich tatsächlich um einen Besenschrank handelte, genauer gesagt, um einen Moppschrank, denn dort standen mehrere Mopps in Eimern. Es roch unangenehm feucht und muffig.
»Mach die Tür zu!«, wisperte Susi.
Arthur schloss die Tür, und es wurde stockfinster.
»Was machen wir hier drin?«
»Verstecken. Die Portiers werden jedes Haus in der Verluststraße nach den Nichtlingen durchkämmen. Wir werden hier warten, bis sie wieder weg sind.«
»Aber hier werden sie uns doch mit Sicherheit finden!«, protestierte Arthur. »Das ist doch ein erbärmliches Versteck …«
»Du hast doch Montags Schlüssel, oder nicht?«, fragte Susi. »Jedenfalls die Hälfte davon; das hat man mir zumindest gesagt.«
»Das stimmt«, bestätigte Arthur.
»Na, dann benutze ihn!«
»Und wie?«, fragte Arthur.
»Weiß ich doch nicht!«, entgegnete Susi. »Es ist ein Schlüssel, warum also nicht die Tür damit abschließen?«
Arthur nahm den Schlüssel heraus. Er gab ein schwaches grünliches Licht ab. Arthur hatte damit die Bibliothekstüren vor den Bringern verschlossen und die Gurte im Krankenwagen gelöst, aber er hatte keine Ahnung, was er sonst noch damit tun konnte.
»Wie soll ich sie denn …«
»Pst!«, befahl Susi drängend. Dann fügte sie in dieser seltsamen tiefen Stimme hinzu: »Berühre damit die Türklinke und sage, sie soll sich verschließen.«
Arthur tat es und flüsterte: »Verschließe dich!«
Schon hörte er draußen auf dem Gang das Poltern schwerer Stiefel. Sein Herz hämmerte fast so laut wie die Schritte, die sich ihrem Versteck näherten. Dann ruckelte die Klinke einmal … zweimal … . aber die Tür öffnete sich nicht.
»Abgeschlossen, Feldwebel!«, brüllte eine tiefe Stimme. Sie hörte sich ein bisschen merkwürdig an, als ob sich der Sprecher einen Metalltrichter in den Mund gesteckt hätte. Irgendwie blechern, dachte Arthur. Die Schritte entfernten sich wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und gleich darauf hörte Arthur mehrere Personen schwerfällig die Treppe hinaufsteigen.
Er öffnete den Mund, um Susi etwas zuzuflüstern, aber sie hob warnend die Hand, die größtenteils in einem mottenzerfressenen Wollhandschuh steckte, und schüttel te den
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