Die Schlüssel zum Königreich 01 - Schwarzer Montag
Schnurrbart und Koteletten angeklebt, die ihr bis zu den Mundwinkeln reichten.
»Du hast deine Flügel noch an«, bemerkte Arthur.
»Weiß nich, wie ich sie abkriegen soll«, erwiderte Su si. »Ich hab alles probiert.«
Außer Wasser und Seife, dachte Arthur und hatte sofort ein schlechtes Gewissen wegen dieses gemeinen Gedankens. Außerdem mochte Susi zwar schmutzig aussehen, aber sie roch überhaupt nicht. Und, wurde Arthur plötzlich klar, er selbst war auch ganz schön dreckig; eine Folge der verschiedenen Absätze der Unwahrscheinlichen Treppe.
»Lass sie an«, meinte das Vermächtnis, »hier oben sind Flügel nichts Ungewöhnliches. Viele Bittsteller fliegen von den Geringeren Wartezimmern unten ins Vorzimmer hoch. Lass uns gehen, Arthur. Wende dich nach rechts, wenn du aus dem Zelt kommst.«
Arthur löste die Schnüre des Zelteingangs und rollte ihn zurück. Draußen war es hell; die Aufzugsschächte verstrahlten ihr Pseudo-Sonnenlicht. Arthur blinzelte, trat aus dem Zelt und blickte sich um.
Er hatte schon gelernt, kein gewöhnliches Zimmer zu erwarten, aber er war dennoch überrascht und konnte nicht anders, als den Hals zu recken und zu glotzen.
Montags Vorzimmer war eine enorme Veranda, die auf zwei Dritteln Höhe in den Hang eines Berges gebaut war.
Eines Vulkans, um genau zu sein; Arthur konnte mehrere hundert Meter oberhalb den Kraterrand sehen.
Die Veranda war zwei- oder dreihundert Meter breit und ragte gerade aus der Bergflanke. Sie musste irgendwie abgestützt sein, durch Säulen oder Balken, vielleicht auch unsichtbar durch Magie. Es war nicht zu erkennen, woraus die Veranda selbst gefertigt war, so vollgestopft war sie mit wartenden Bittstellern, die Zelte und Teppiche und Decken und Strohmatten und alles mögliche Mobiliar mitgebracht hatten, um es sich bequemer zu machen. Was ziemlich vernünftig war, wenn man bedachte, dass sie möglicherweise jahrhundertelang warten würden.
Überall wurde gesprochen, gelacht und gelärmt, sogar über Arthurs Kopf, wo zahlreiche geflügelte Bürger hin und her flatterten. Die Kombination aus pseudo-viktorianischen Kleidern und mannsgroßen Flügeln gab ein merkwürdiges Bild ab. Obwohl einige sehr hoch flogen, fiel Arthur auf, dass sich keiner dem Krater des Vulkans näherte.
Überall sah es wie im Karneval aus. Im Gegensatz zum Atrium, wo jedermann zumindest vorgab, geschäftig zu sein, hatten die Hausbürger hier eine Entschuldigung dafür, nur zu warten oder sich zu amüsieren, so viel sie wollten, vorausgesetzt, sie achteten auf ihre Wartenummern. So auch in Arthurs unmittelbarem Umkreis: Die Menschen – er hatte das Gefühl, dass er sie Menschen nennen musste, auch wenn sie keine waren –, sie lasen, spielten Karten oder Brettspiele, übten Fechten jonglierten, schrieben, vollführten seltsame Gymnastik, tranken Tee, aßen Kuchen und Gebäck, starrten ihn an …
Bei diesem Burschen blieb Arthurs Blick hängen. Irgendetwas an der Art, wie er dastand, kam Arthur vertraut vor, obwohl er nicht glaubte, dass er ihn schon einmal gesehen hatte. Er war gut gekleidet und trug, farblich in blassem Rosa aufeinander abgestimmt, Gehrock, Jacke und Pantalons; sein Gesicht zierte ein langer, herabhängender Schnauzbart.
Als der rosa Bursche bemerkte, dass Arthur ihn muster te, zog er den Kopf ein und huschte in die Menge, und genau dieses Huschen verriet ihn.
»Pravuil!«, rief Arthur aus. »Ich glaube, das war Pravuil! Aus dem Kohlenkeller!«
»Ein Spion!«, knurrte das Vermächtnis. »Rasch! Geh nach rechts zu dem purpurnen Zelt mit der goldenen Kugel an der Spitze! Siehst du es?«
Arthur nickte und ging eilig los.
»Pravuil hat gesagt, dass er für Abenddämmerung arbeitet«, murmelte er, während er sich, dicht gefolgt von Susi, seinen Weg durch die Menge bahnte.
»Vielleicht tut er das«, brummte das Vermächtnis. »Aber wir müssen vorsichtig sein. Geh in das purpurne Zelt, dann nach links und an der Zeltwand entlang zum Hinterausgang, dann hinaus. Dort kommen wir zu einer Passage zwischen aufgestapelten Kisten.«
Im Inneren des Zeltes herrschte Dunkelheit; es war durch viele Vorhänge und spanische Wände geteilt. Arthur wandte sich nach links und folgte der Krümmung der Außenwand. Er sah ein Messer in Susis Hand aufblitzen und wunderte sich, wo sie es auf einmal herhatte.
»Ich hoffe, dass du das nicht brauchen wirst!«, flüster te er ihr über die Schulter zu, während sie ihren Weg weiter verfolgten. Es war ein großes Zelt, in das
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