Die Schlüssel zum Königreich 02 - Grimmiger Dienstag
hielt und die linke am Wetterhahn klebte. Die Haftfähigkeit musste einen Augenblick, bevor der Dampfstrahl auftraf, gewechselt haben, und Arthur hatte die Hand wohl unwillkürlich zurückgezogen.
Er stieß einen ausgesprochen tiefen Seufzer aus und rezitierte den Gegenspruch. Sofort waren die Anklebfinger seiner linken Hand still und hörten auf zu zappeln.
»Er ist umklappbar«, stellte Susi fest, die aufs Turmdach hinuntergeklettert war und den Fuß des Wetterhahns untersuchte. Die ganze Figur war knapp zwei Meter hoch und aus Gusseisen, also sicherlich sehr schwer. Arthur tätschelte den kalten Schnabel des Hahns und fragte sich, wie sie es anstellen sollten, dieses metallene Ungetüm anzuheben, um wie von Dame Primus geplant in den Turm zu gelangen.
»Hier muss irgendwo ein Schalter sein«, fügte Susi hinzu. »Ein Hebel oder eine Verriegelung … ah …«
Sie hatte einen versteckten Knopf gedrückt. Ein lautes metallisches Zing! ertönte – Arthur wurde heftig in die Luft geschleudert und landete unsanft auf dem Dach des Turmes, von wo aus er über die Ziegel auf die Regenrinne zurollte. Seine Beine baumelten schon ins Leere, und er versuchte verzweifelt, irgendwo Halt zu finden, während er sich verfluchte, weil er den Spruch aufgesagt hatte.
Im letzten Moment erwischte er die Regenrinne und konnte sich daran festklammern; dieses Stück Blech war jetzt das Einzige, was ihn vor dem Sturz in die bodenlose Tiefe bewahrte. Er wollte einen Seufzer ausstoßen – mochte die Erleichterung auch nur vorübergehend sein –, aber er bekam keine Luft.
Dann hörte er es auf den Ziegeln rattern, und Susis besorgtes Gesicht erschien über ihm. Sie sah ihn an und dann zum Boden hinunter, der sich einige hundert Meter unter ihnen befand.
»Tut mir leid!«, sagte sie. »Es war ein Federschloss …«
»Hilf mir hinauf«, flüsterte Arthur. Sein Atem kam schon zurück; einmal mehr war er dankbar, im Haus zu sein. Hätte man ihn daheim dermaßen malträtiert, wäre ein Asthmaanfall die unausweichliche Folge gewesen.
»Schwing die Füße aufwärts«, sagte Susi. »Die Pyramidenwand ist keinen Meter von dir entfernt. Drück dich daran ab, damit ich dich hochziehen kann.«
Es dauerte mehrere Minuten, bis Arthur endlich wieder auf dem Dach war. Er blieb eine Weile keuchend auf dem Rücken liegen, dann setzte er sich vorsichtig auf. Susi spähte in die Öffnung, die der Wetterhahn freigegeben hatte und der jetzt rechtwinklig vom Turm abstand. Arthur kletterte langsam an Susis Seite und war dankbar, dass das Dach nicht zu steil abfiel.
»Innen größer als außen«, murmelte Susi und blickte angestrengt ins Turminnere. »Und dieser Ruß ist verduftet.«
Arthur sah durch die Öffnung. Trotz Susis Kommentar erwartete er, so etwas wie ein rundes Turmzimmer zu erblicken.
Aber das Äußere des Turms bereitete in keiner Weise auf sein Inneres vor. Es war nicht einmal rund, sondern vielmehr rechteckig und riesig. Es erinnerte Arthur an ein Gefängnis aus dem neunzehnten Jahrhundert, das sie einmal auf einer Klassenfahrt besichtigt hatten. Groß und düster, mit einem offenen Innenhof und vielen Stockwerken, wo die Zellen ringsherum in die Backsteinwände gemauert waren; um jedes Stockwerk führte ein gusseiserner Verbindungsgang.
Das Gefängnis von damals war sechsstöckig gewesen und hatte zirka einhundert Zellen auf jeder Seite gehabt; das Schatzgefängnis des Grimmigen hatte mindestens fünfzig Stockwerke, und der zentrale Innenhof war anderthalb Kilometer lang, vielleicht länger. Das war schwer zu sagen, denn das einzige Licht kam von den flackernden Öllampen – oder deren Imitationen –, die neben jeder vierten Zelle in Wandhaltern steckten. Jede Ebene musste mindestens tausend Zellen beherbergen, schätzte Arthur, was bedeutete, dass es in dem Turm mehr als fünfzigtausend davon gab!
»Es sieht wie ein Gefängnis aus«, sagte Arthur. »Ich meine, es sieht fast genauso aus wie eines, das ich zu Hause besichtigt habe, nur dass es viel, viel größer ist.«
»Das ist genau das, was Grimmiger Dienstag macht«, erklärte Susi, »Er kopiert Sachen. Wir sollten anfangen, nach dem Vermächtnis zu suchen.«
»Anfangen!«, wiederholte Arthur mit einer Spur Resignation in der Stimme. Er sah die Eisenleiter hinab, die zu dem obersten Verbindungsgang führte, und zu den Zellen links und rechts davon – eine scheinbar endlose Reihe solider gusseiserner Türen. »Wo sollen wir anfangen?«
»Kommt drauf an, wonach ihr sucht«,
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