Die Schlüssel zum Königreich 02 - Grimmiger Dienstag
antwortete Ruß, der unerwartet am Ende der Leiter aus der Düsternis auftauchte. »Habe ich eben das … Vermächtnis erwähnen hören?«
»Weißt du, wo es ist?«, fragte Arthur begierig, bevor ihm wieder einfiel, dass Ruß eigentlich nichts von ihrem wahren Vorhaben erfahren sollte.
Ruß bäumte sich auf und schwankte hin und her, sodass seine abstoßende Saugnapfunterseite wieder zu sehen war. Arthur wich unauffällig ein Stück zurück und stellte gleichzeitig überrascht fest, dass die Kreatur irgendwie größer geworden war. Sie schien mindestens um die Hälfte gewachsen zu sein.
»Das Vermächtnis der Architektin?«, vergewisserte sich Ruß. »Der Teil, der Grimmigem Dienstag anvertraut wurde?«
»Jawohl«, bestätigte Arthur. Die Stimme seines Gegenübers war tiefer geworden und hörte sich bedrohlicher an, gar nicht mehr so einschmeichelnd wie vorher. Als hätten Arthur und Susi, seit Ruß im Schatzturm war, für ihn keinen Nutzen mehr.
»Ich weiß nicht genau, wo es sich befindet«, sagte Ruß. Seine silbernen Augen taxierten Susi, die ihr Kupferrohr in der Hand wog, und er zog sich ein wenig zurück. »Aber ich weiß, wo es ungefähr sein muss. Kommt mit!«
Ruß rutschte und schmatzte die Leiter hinunter auf den obersten Verbindungsgang. Er schaute nicht zurück, ob sie ihm tatsächlich folgten.
»Er ist größer geworden«, flüsterte Susi. »Wie ein Nichtling, der jemandem das Leben ausgesaugt hat.«
Arthur nickte und biss sich auf die Lippen.
»Wir müssen ihm dennoch folgen«, entschied er schließlich. »Es gibt zu viele Zellen hier, als dass wir jede einzelne überprüfen könnten. Insbesondere, weil Grimmiger Dienstag mittlerweile bestimmt erfahren hat, dass wir hier sind.«
»Was ist, wenn er uns in eine Falle lockt?«
»Ich schätze, das müssen wir riskieren.«
»Schätze ich auch«, meinte Susi. »Aber halt die Augen auf und schau dich nach einem architektonischen Schwert oder einer Lichtaxt oder so was um – wenn der noch größer wird, dann werden wir eine bessere Waffe als dieses Kupferrohr brauchen.«
Arthur nickte und begab sich auf die Leiter. Sein Bein fühlte sich noch immer merkwürdig an, und dieses Gefühl verstärkte sich, als er schließlich aufrecht auf dem Verbindungsgang stand. Er machte ein paar Schritte, blieb stehen, befühlte seine beiden Knie und zog verwirrt die Stirn kraus.
»Was ist los?«
»Mein Bein … das ich mir gebrochen habe«, sagte Arthur zögernd. »Es ist kürzer geworden! Es ist zwei Zentimeter kürzer als das andere!«
Er beugte sich nieder und tastete erneut seine Beine ab. Seine Holzschuhe waren längst verschwunden, irgendwo in der Grube verloren gegangen. Er stand auf Strümpfen da, und es konnte keinen Zweifel geben: Er hatte sein gebrochenes Bein zwar auf magische Weise geheilt, aber er hatte es falsch gemacht. Nicht nur, dass es ein bisschen schief war, es war auch definitiv kürzer.
»Es ist tatsächlich kürzer«, bestätigte Susi ihm unbeeindruckt. »Jetzt komm, dieser Ruß ist schon auf der Leiter zur nächsten Ebene.«
»Du kapierst es nicht!«, schrie Arthur. »Mein Bein ist kürzer als vorher!«
Beim letzten Satz hustete er, und sein Atem stockte. Er spürte, wie sich seine Lunge verengte, aber das konnte kein Asthma sein – nicht hier im Haus. Es musste ein Schock oder eine Panikattacke oder so etwas sein. Es war schon schlimm genug, an Asthma zu leiden und nicht alles tun zu können – aber jetzt war er auch noch lahm! Alles würde noch schlimmer werden …
Arthur riss sich zusammen.
Ich werde jetzt nicht darüber nachdenken! Ich muss Teil Zwei des Vermächtnisses finden, Grimmigen Dienstag besiegen und rechtzeitig zurückkehren, um unser Haus und all unser Geld zu retten und zu verhindern, dass noch Schlimmeres passiert. Ein Bein ist also ein bisschen kürzer? Das ist immer noch besser als gebrochen, oder etwa nicht?
»Jetzt komm schon«, drängte ihn Susi erneut und ging los; Arthur folgte ihr hinkend, nachdem er sich mit dem verkürzten Bein abgefunden hatte.
Sie mussten rennen, um Ruß einzuholen; der wand sich gerade ein paar Eisenstufen zum nächsten Stockwerk hinunter, schlängelte sich etwa hundert Meter auf dem Verbindungsgang entlang und schmatzte dann ohne Aufenthalt auf die Etage darunter.
Trotz der Socken hallten Arthurs und Susis Schritte auf dem Metallsteg wider, und ihr Echo brach sich in dem riesigen freien Raum in der Mitte.
»Wenn es hier Wachen gibt, dann wissen sie jetzt, wo wir sind«, sagte
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