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Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag

Titel: Die Schlüssel zum Königreich 04 - Rauer Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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blinzelte und ertappte ihre Hand, wie sie unter die Westen griff.
    »Ich werde sie Euch nicht aushändigen!«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Doch, das wirst du«, widersprach der Bürger. Er gähnte und tupfte sich den Mund mit seinem linken Handschuh ab. »Beeil dich.«
    »Werde ich nicht!« Susi blieb stur und musste entsetzt feststellen, dass sie die Schachtel mit dem wertvollen Stofffetzen dennoch herausholte.
    »Sehr gut«, sagte der Bürger beifällig. Er streckte die Hand aus, um sie entgegenzunehmen, während Susi darauf starrte und versuchte, sich zum Wegziehen ihrer Hand zu zwingen.
    Gerade als sich die Finger des Bürgers um die Schachtel schließen wollten, entfaltete er explosionsartig die Flügel, knurrte wütend und wirbelte in die Höhe. Susi fiel nach hinten und schlug einen doppelten Purzelbaum, bevor sich ihre eigenen Flügel ausbreiteten und sie stabilisierten.
    Hoch über ihr war der anmaßende Unbekannte in einen verbissenen Zweikampf mit einem Bürger mit neonblauen Schwingen verwickelt, in dem Susi nicht sofort den Leutnant Hüter des Vordereingangs erkannte. Sein blauflammendes Schwert prallte gegen den Blitze schleudernden Stockdegen des anderen. Die beiden stießen wie Raubvögel aufeinander herab, umkreisten sich und wichen aus, während sie Ausfälle machten und Schläge und Paraden austauschten, die Susi mit den Augen kaum verfolgen konnte.
    Sie staunte nicht schlecht, wie sich die Kämpfer attackierten, denn sie benutzten ihre Flügel auch als Waffen, blockten damit gegnerische Hiebe ab, setzten die scharfkantigen Spitzen als Messer ein und teilten Schläge aus, die den Getroffenen durch die Luft katapultierten. Manchmal hingen die Kontrahenten kopfüber in der Luft, manchmal schwebten sie waagrecht, und Susi wurde schwindlig dabei, Oben und Unten auseinanderzuhalten. Schließlich gab sie es auf und beschränkte sich darauf, ihnen einfach nur fasziniert zuzuschauen.
     
    Der Kampf war rasant und ausgesprochen gefährlich. Viele Male gelang einem der beiden nur noch so eben eine Parade, oder er konnte gerade noch zur Seite fliegen oder zurückspringen, wenn ein wohl gezielter Schlag auf ihn zukam. Die Klingen trafen sich so schnell hintereinander, dass es klirrte wie eine Lawine Münzen. Susi, die bei Montags Mittag das Fechten gelernt hatte, kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, während sie schwingenunterstützte Meisterstücke der Fechtkunst miterlebte, die in keinem Handbuch zu finden waren.
    Für Susi blieb nichts zu tun, als die Schachtel wieder in ihre Weste zu stecken und niemandem in die Quere zu kommen. Sie überlegte, ob sie sich einmischen sollte, doch die zwei Bürger bewegten sich zu schnell und waren so auf den Kampf konzentriert, dass sie sich sagte, jede Intervention ihrerseits würde höchstens den Leutnant Hüter ablenken.
    Dann ging dieser in die Defensive und zog sich stetig nach oben zurück, und Susi fragte sich, ob sie nicht besser das Weite suchen sollte. Aber es war nach wie vor keine Zuflucht zu entdecken. Also folgte sie stattdessen den Kämpfenden und schlug kräftig mit den Flügeln, um die beiden nicht aus den Augen zu verlieren.
    Plötzlich beendete der Leutnant Hüter seinen Rückzug und warf sich nach vorn. Sein Gegner versuchte einen Aufhaltstoß, der ihm aber misslang, und die zwei prallten aufeinander, mit den gekreuzten Klingen zwischen sich. Der Leutnant Hüter war der Schmächtigere und Kleinere, aber offenbar waren seine Flügel stärker, denn er schob seinen Gegner mindestens fünf Meter zurück. Gleichzeitig rief er ein Wort, das Susi nicht verstehen konnte, aber dennoch wie einen Schüttelfrost in jeder Faser ihres Körpers spürte.
    Bei diesem Wort erschien ein Kreis aus weißem Licht direkt hinter dem fremden Bürger. Der spürte ihn offenbar, denn er schlug noch heftiger mit den Schwingen, um seine Position zu halten – aber der Leutnant Hüter war zu stark für ihn.
    »Das ist noch nicht das Ende –«, schrie der Bürger, als er rückwärts in den Lichtkreis stürzte. Es musste sich um einen Ausgang handeln, denn auf der anderen Seite waren ein goldgetäfelter Raum und ein Elefantenfuß-Schirmständer zu sehen. Sobald der Bürger über die Schwelle gefallen war, verschwand der Kreis wie eine zerplatzende Seifenblase. Und erneut war nichts als konturloser Raum um sie herum.
    »Mensch!«, sagte Susi. »Wer war denn das?«
    »Samstags Abenddämmerung«, antwortete der Leutnant Hüter. »Wir sind alte Widersacher, er und ich.

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