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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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solchen Ding sitzen, dachte sich Inga, die weiterhin versucht hatte herauszufinden, wer sich in den beiden übrigen, verschlossenen Sänften aufhielt. Er war doch jung, ein richtiger Mann, er konnte doch gewiss reiten und musste nicht wie ein siecher Greis an Stangen zwischen zwei Pferden geschleppt werden. Nein, er war noch im Kloster, denn auf einem der Rösser hatte sie ihn ebenfalls nicht erkennen können. Er musste im Kloster sein, denn das war Ingas Hoffnung.
    Ja, Nacht für Nacht, während sie wachlag und dem eindringlichen Klagen der alten Wirtsmutter lauschte, dachte sie an diese Hoffnung. Es war eine verzweifelte Hoffnung, an die sie sich da klammerte, eine nie erfüllbare Sehnsucht. Aber immerhin durfte sie träumen, und immerhin machte das ihr Leben in dieser Taverne, mit dem mürrischen Ottmar und der schreienden und spuckenden Mutter, einigermaßen erträglich. An eine Rückkehr in ihre Heimatsiedlung, eine Rückkehr gar auf den Hof der Eltern wagte sie nicht mehr zu denken. Von Bero hatte sie nichts weiter vernommen. Wahrscheinlich war sein Vorhaben gescheitert, er hatte weder den Weißen finden noch die garstige Gisela für sich gewinnen können. Wäre es anders, hätte er seiner Schwester doch gewiss Bescheid gegeben. Hoffentlich war er wohlauf und nicht auch noch Opfer dieses Waldmannes geworden. Diesen Gedanken versuchte Inga schon eine ganze Weile zu verdrängen, denn unwahrscheinlich war dies nicht. Und sie verdrängte ebenso den Gedanken, dass der Bruder sie einfach hier in Huxori zurückließ, dass er bereits längst alles erfolgreich erledigt hatte, dass er längst Herr des Hilgerhofes war, reich und ehrhaft. Ein neues Sippenoberhaupt, das es nicht nötig hatte, sich seiner verlorenen und zweifelhaften Schwester zu erinnern.
    Besser war es, sich darüber nicht weiter den Kopf zu zerbrechen, sondern sich zu überlegen, wie sie herausfinden konnte,
ob er noch im Kloster war. Er, der Mönch Agius, den sie zuletzt im Wald auf dem heiligen Berg gesehen hatte. Ganz und gar hatte sie ihn dort gesehen, so wie Gott ihn erschaffen hatte. Es waren schöne Erinnerungen, und in ihren Träumen ließ Inga diese Erinnerungen nicht nur aufleben, sondern spann sie weiter, spann sie weiter zu einem Geflecht von Begegnungen und Ereignissen, an deren Ende die Erfüllung stand.
    Und mit diesen schönen Gedanken schlief sie dann auch in der Nacht nach der Abreise des Abtes und trotz des sinnlosen Geschreis der alten Mutter wohlig ein.
    Am nächsten Tag jedoch sollte sich alles verändern.
     
    »Inga.«
    Die vertraute Stimme kam aus dem Stall des Ottmar. Inga hielt sich gerade im Hinterhof auf, um den Topf zu leeren, der alles enthielt, was die Alte in den letzten zwei Tagen und Nächten so von sich gegeben hatte.
    »Inga, ich bin hier im Stall«, vernahm sie die Stimme erneut.
    Schnell warf sie den Topf samt Inhalt auf den Misthaufen und eilte zur Stalltüre. Da stand Bero schon vor ihr. Er sah nicht gerade fröhlich aus.
    Inga blieb wie angewurzelt stehen. Entsetzt fragte sie den Bruder: »Was macht der denn hier?«
    »Ich habe ihn hergebracht. Ursprünglich wollte ich … Aber ich kann es nicht, Inga. Wie soll ich das machen?«
    »Was kannst du nicht?«, fuhr sie ihn an.
    »Na, was schon?«, fauchte er wütend zurück.
    »Du willst ihn umbringen?«
    »Natürlich, das ist doch Teil des Plans. Er ist im Weg. Ich wollte ihn eigentlich erschlagen, ersticken oder ersäufen. Aber er ist so anders geworden. Versucht habe ich es, aber es gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl, ich müsste ein Kind meucheln.«

    Inga warf einen Blick auf Ansgar. Er stand neben dem Esel des Ottmar, streichelte diesem das graue Fell und flüsterte ihm beständig etwas in die langen Ohren. Unwillkürlich musste Inga herzlich lachen.
    »Warum bringst du ihn nicht einfach zurück?«, fragte sie dann.
    »Zurückbringen? Sie denken doch schon längst, dass er tot ist. Mir steht der Weg frei. Ich muss nur noch diesen Weißen finden, dann kann ich Gisela ehelichen.«
    »So?«
    »Ja, ich war bereits erfolgreich …«, schmunzelte er mit einem dreckigen Grinsen im Gesicht.
    »Pfui«, sagte Inga bloß.
    »Wahrlich, da hast du Recht, Schwester. Sie ist ganz und gar nicht nach meinem Geschmack. Wenn sie wenigstens ein liebenswertes Wesen hätte …«
    »Hast du sie bereits gebeten, deine Frau zu werden?«
    »Nein.«
    »Ich glaube nicht, dass du von Erfolg sprechen kannst, wenn es dir gelungen ist, bei ihr zu liegen, Bero. Das haben schon andere vor

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