Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
der Schmiede? Nicht in der Höhle der Wanda?«
    »Nein, auch nicht in der Höhle der Wanda«, sagte Inga. Jetzt wurde sie aufmerksam. »Aber wie, Ansgar, finde ich die Höhle der Wanda?«

    »Geh nicht wieder dorthin. Nicht allein. Er wird dich töten, der Unhold.«
    »Wirst du mich hinführen, Ansgar?«
    »Erschlagen gehört er, erschlagen, so wie seine Söhne. Seine ganze Brut gehört erschlagen, die ganze, ohne Ausnahme.«
    »Du weißt, wer er ist.«
    Und dann erhob sich Ansgar, lief in Windeseile zur Ofenstelle, griff nach dem Schürhaken und fuchtelte wie wild damit in der Luft herum. Inga stürzte herbei, sie fürchtete, Ottmar könnte erwachen. Mit beruhigenden Worten gelang es ihr, den Koloss zu entwaffnen und ihn zu seinem Lager zurückzuführen.
    »Wo ist die Höhle der Wanda?«, fragte sie erneut vorsichtig, ihn dabei immerfort am Oberarm streichelnd.
    »Hinter dem Dornendickicht, hinter der Kuppe des Berges. Halte dich südlich, geh in den Wald. Dort steht eine Ulme, sie hat drei Arme. Hinter dieser Ulme ist ein Hügel. Unter diesem Hügel wohnte die Wanda, und dort haust nun er.«
    »Hinter der Kuppe? Aber dort gelangt man nicht hin, das Dickicht ist viel zu dicht.«
    »Man gelangt dorthin, wenn man nur will«, antwortete Ansgar schroff. Er war nicht mehr so benebelt wie am Tage zuvor, aber noch immer war er nicht bei Verstand, vielmehr hatte er sich von einem babbelnden, friedlichen Kleinkind in einen aggressiven Trunkenbold verwandelt. So hatte es für Inga zumindest den Anschein.
    »Der Kopf, der Kopf«, schrie er mit einem Mal. »Der Kopf. Er will mir zerspringen.« Und dann erhob er sich wieder, brüllte herum und veranstaltete einen regelrechten Veitstanz. Es gelang Inga kaum, ihn zu beruhigen. Schnell schüttete sie aus verschiedenen Krüglein, von denen sie einen kleinen Vorrat angelegt hatte, nachdem auch Ottmar nun ihrer Heilkunst vertraute, einen Trank zusammen, der nicht nur beruhigen, sondern auch
das Kopfweh lindern sollte, von dem Ansgar mit einem Male so schrecklich befallen worden war. Noch ein wenig Brennnesseln, Kamille und nicht zu wenig von dem Duftlabkraut, das würde helfen, dachte sie bei sich, immerzu mit einem Ohr auf die Schnarchgeräusche des Ottmar achtend, der zum Glück ungerührt dalag. Er war nächtlichen Tumult von seiner Mutter gewohnt und vermochte selbst bei größtem Lärm tief und fest zu schlafen. Ja, er hatte die Methode entwickelt, Lärm mit Lärm zu bekämpfen, denn niemand – da war sich Inga sicher – schnarchte so laut wie Ottmar.
    Auch die Alte lag weiterhin still.
    Als Inga dem mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder auf seinem Lager liegenden Ansgar den Aufguss einflößen wollte, wurde dieser erneut rasend. Wild schlug er ihr den Becher aus der Hand, sodass dieser sich ins Stroh ergoss.
    »Lass ab von mir, Weib. Ich trinke dieses Zeug nicht mehr. Verhext ist es, und du bist die Unholdin. Ich hätte es wissen müssen: Du bist es. Du bist die Unholdin! Du und dein Vater, ihr treibt ein mörderisches Spiel.«
    »Ansgar, was redest du?« Inga wurde nervös. Sie hatte es sich einfacher vorgestellt, den verspielten Trottel zu betreuen. Dass er nächtlich zum Rasenden würde und sie laut der Hexerei und des Mordes beschuldigte, damit hatte sie nicht gerechnet, und es gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie griff nach einer Pfanne und schlug sie dem schreienden Ansgar gekonnt über den Schädel. Für den Rest der Nacht würde er Ruhe geben, das war sicher.
     
    »Keine Spur von ihm?«
    »Nicht die geringste. Er wird doch nicht allein fortgegangen sein?«
    »Dann wäre er kaum weit gekommen.«

    »Wann wird er wieder zu sich kommen, wenn er nichts mehr von dem Zeug trinkt?«
    »Das kann ich schlecht sagen. Es freut mich ohnehin, wie gut es gelungen ist. Wer hätte das gedacht, dass dieses Hexengebräu eine solch beständige Wirkung zeigt? Aber er wird sicherlich zu sich kommen. Es sei denn, das Zeug hat ihm den Geist schon endgültig umnebelt.«
    »Er wird alles sagen. Alles. Er weiß ja nun alles.«
    »Darum musst du ihn finden. Lebendig.«
    »Wir müssen noch einmal zuschlagen.«
    »Diese Worte von dir?«
    »Es muss sein.«
    »Ich kann mir denken, wer es ist, der dich in Schwierigkeiten bringt.«
    »Kannst du es tun?«
    »Wie soll ich das machen? Ich sitze hier oben fest. Den ganzen Winter über habe ich mich nicht hinausgewagt, weil sie mich alle suchen. Habe mich nur von verfaultem Pökelfleisch ernährt. Und auch jetzt stöbern sie hier herum. Vor wenigen Tagen

Weitere Kostenlose Bücher