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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Anweisungen gelingen wird, alles in unserem Interesse, aber vor allem im Sinne des Herrn zu lösen.«
    »Darauf wollen wir hoffen«, fügte Taddäus hinzu, ohne seine kleinen, scharf blickenden Augen von Agius abzuwenden. »Bekehre sie, Agius, baue ihnen eine Kirche, bekehre sie, bekehre sie im Sinne deiner eigenen Interpretation des jungen Augustinus. Erzähle ihnen von dem großen Einen, der sich nur in seinen Ideen auf der Erde widerspiegelt. Erzähle ihnen von dem einzig Seienden und davon, dass nur er wirklich ist, wir alle aber unser Sein nur zum Lehen haben. Das ist das einzig Brauchbare an dieser deiner Philosophie: Alles auf Erden haben wir zum Lehen. So ist es doch, Agius, oder etwa nicht?«
    »Du warst nie ein großer Freund der Kirchenlehren, Taddäus«, sagte Agius.
    »Dafür weiß ich, wo meine beiden Füße stehen, und ich weiß auch, dass es nicht im Sinne des Herrn wäre, sich ausschließlich über gelehrte Gespinste den Kopf zu zerbrechen, wenn es darum geht, das einfache Volk zu bekehren.«
    »Welchen Herrn meinst du, Taddäus? Ich hörte, dein neuer Herr heißt Lothar, ältester Sohn des Kaisers Ludwig.«
    »Lothar hat sich einen anderen zum Berater erwählt. Er weilt mit Wala, Bruder eures Abtes, im fernen Italien und wirkt dort den Bestrebungen des Papstes entgegen. Hoffen wir, dass es ihnen
gelingen mag, diese machthungrigen Römer im Zaume zu halten. Manch einer hegt da Bedenken.«
    »Und manch einer bist du, Taddäus, nicht wahr?«
    »Ich werde mich kurz zurückziehen. Ein Bedürfnis plagt mich, dem ich nicht gewachsen bin, länger standzuhalten. Ihr entschuldigt mich.« Schnell und erleichtert verließ der Prior den Raum, die beiden Streithähne allein zurücklassend.
    »Was führst du im Schilde, Agius? Was treibst du hier in diesem Niemandsland? Warum bist du so wenig ehrgeizig? Das passt nicht zu dir. Und eine Holzkirche auf einem Berg inmitten von germanischen Heiden. Ist das deine Welt?«
    »Du kennst mich schlecht, Taddäus, sehr schlecht.«
    »Wirst du etwa zum Eremiten?«
    »Vielleicht ist es das.«
    »Eine eigens auferlegte Buße für eine Sünde, die du niemals gebeichtet hast?«
    Agius wurde blass. Er hatte befürchtet, dass Taddäus davon zu reden begänne.
    »Woher willst du wissen, dass ich es niemals gebeichtet habe?«
    Taddäus wurde zum ersten Mal ernst: »Weil ich dich zu gut kenne.«
    »Was trägst du mir nach, Taddäus? Was, nach all diesen Jahren? Ich habe mich zurückgezogen, während du weiterhin deinen Weg beschritten hast. Erfolgreich, wie ich vernahm.«
    »Wenig erfolgreich, wenn man weiß, welches mein eigentliches Anliegen ist.«
    »Du bist kein Arbeiter Gottes, sondern der Arbeiter einer toten Frau.«
    »Einer Frau, für deren Tod du verantwortlich bist.«
    »Das ist nicht wahr, und das weißt du. Was willst du nun hier?«

    »Adalhard wird sterben.«
    »Er ist alt.«
    »So ist es. Dieses Kloster braucht einen mächtigen, fähigen Abt. Keinen Schwächling wie Wulfram. Du wärest der Richtige.«
    »Ich kann kein Abt werden.«
    »Warum nicht? Du bist alles in einem: Philosoph und Realist, weltentschwunden und dennoch machthungrig, klug, aber trotzdem sanft. Du weißt, was wir wollen, was gut für das Reich ist. Deine aus den Ideen Platons geborenen Gedanken führen doch in die gleiche Richtung wie die meinigen, nur auf komplizierterem Wege. Wir brauchen tatsächlich eine Einheit. Eine Einheit in allen Dingen. Und dieses Kloster kann zu einem wichtigen Zentrum im Osten werden: so viel Land, so wenig mächtiger Adel – gar kein mächtiger Adel, wie mir scheint.«
    »Und warum ich? Ich ahne den Grund.«
    »So?«
    »Ich bin erpressbar für dich.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Prior Wulfram kam von seiner Sitzung hinter dem klostereigenen Hühnerstall zurück.
    »So«, brach er gespielt fröhlich das Gespräch ab. »Ich denke, diese Unterhaltung hat nun lang genug gedauert, wir alle sind hungrig. Lieber Taddäus, wir können dir als unserem weitgereisten Gast nur eine bescheidene Unterkunft gewähren. Dafür aber soll dein Gastmahl weniger bescheiden ausfallen. Stelle dir vor, vor einer Woche kam eine Lieferung des besten Weines aus dem fernen Sizilien. Es dürfte längst aufgetischt sein. Kommt, meine Freunde, wollen wir Gott dafür danken, dass er, abgesehen vom Wein, auch in einer solch abgelegenen, kalten Gegend den Menschen reichlich Nahrung gewährt. Besonders das Wild ist hier von erlesener Würze, ganz eigen im Geschmack. Kommt, meine Freunde,

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