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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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diesem schönen Land Wurzeln zu schlagen. Das Andenken an seinen Bruder kam nur kurz zur Sprache, als geübter Redner erkannte er, wann ein Thema für Betretenheit sorgte und die Stimmung zu töten drohte. Also schwenkte er schnell wieder über zu dem Fest und bedeutete den Musikern, die er mit Wilkes’ Hilfe aus Colombo geholt hatte, dass sie beginnen konnten.
    Als ihr der Kopf von dem vielen Gerede, den Höflichkeiten und dem aufgesetzten Lächeln schwirrte, verließ Grace das Haus für einen kleinen Spaziergang. Sie musste zugeben, dass sich die Gäste nicht wesentlich von der Gesellschaft in London unterschieden. Obwohl sie schon jahrelang hier waren, schien sich nichts an ihrem Verhalten geändert zu haben.
    Der Garten empfing sie mit wohltuender Ruhe und Dunkelheit, die tiefer wurde, je weiter sie sich von den Lichtern entfernte. Früher wäre sie auf keinen Fall in ihrem schönen Ballkleid rausgelaufen, aber die vergangenen Wochen hatten sie verändert. Sie wusste selbst nicht, was es war. Die Abneigung gegen diesen Ort hatte sich ins Gegenteil verkehrt, ihr Interesse für den Teeanbau war erwacht, und allmählich erging es ihr wie Victoria, die den Aufenthalt hier für ein großes Abenteuer hielt.
    »Miss Grace«, sagte eine leise Stimme.
    Als sie sich umwandte, stand Vikrama neben ihr. Weder trug er seine Arbeitskleidung noch seinen mysteriösen Anzug, und Grace konnte nicht anders, als ihn anzustarren. In seinem schwarzen Hemd, das er am Kragen leicht offen trug, die Ärmel ein wenig hochgerollt, und seinen weiten schwarzen Hosen, zu denen er keinerlei Schuhe trug, wirkte er wie ein orientalischer Ritter aus einer der Geschichten, die sie vor langer Zeit gelesen hatte. Auch diese Männer trugen bevorzugt Schwarz. Im Gegensatz zu ihnen verschleierte er sein Gesicht allerdings nicht. Im Mondschein wirkte es sogar ein wenig blass aufgrund seiner schwarzen Locken, den dunklen Brauen und dem Bart, den er wieder sauber zurechtgestutzt hatte. Und er sah noch besser aus, als sie ihn von den vergangenen Tagen in Erinnerung hatte.
    »Mr Vikrama, ich …«
    Lächelnd hob er die Hand. »Ich habe mich zu entschuldigen. Meine Reaktion war sehr unpassend, sie hat den Eindruck entstehen lassen, dass ich illegalen Aktivitäten nachgehe. Doch dem ist nicht so.«
    Grace lächelte ihn beinahe schon erleichtert an. Offenbar ist er mir nicht mehr böse.
    »Das habe ich auch nie geglaubt«, entgegnete sie. »Ich bin nur sehr neugierig, eine Eigenschaft, die meine Mutter früher immer getadelt hat. In den vergangenen Jahren hatte ich sie abgelegt, aber hier ist alles so neu und anders, dass ich fürchte, sie ist zu neuem Leben erwacht.«
    »Neugierde ist nicht immer schlecht«, gab Vikrama zurück. »Manchmal hilft sie, den Geist für andere Kulturen zu öffnen.«
    »Ist das von einem berühmten Dichter?« Grace hob verwundert die Brauen.
    »Nein, von mir. Es ist meine Erfahrung. Und die meiner Leute. Auch wir sind sehr neugierig, besonders auf neue Menschen. Aus diesem Grund werden Sie hier immer Menschen finden, die bereit sind, Ihnen zu helfen. Denn indem sie es tun, lernen sie Sie kennen.«
    Schweigen drängte sich zwischen sie. In der Ferne ertönte ein seltsamer Ruf, wahrscheinlich von einem Vogel.
    »Ich hatte dennoch kein Recht, Sie danach zu fragen«, stellte Grace zerknirscht fest. »Sie mögen der Angestellte meines Vaters sein, aber haben Ihr eigenes Leben.«
    Darauf sah Vikrama sie ein wenig seltsam an. Etwas schien ihm auf den Lippen zu liegen, doch er wischte es mit einem beinahe unmerklichen Kopfschütteln beiseite. Dann sagte er: »Kalarippayat.«
    Grace sah ihn verwundert an. »Wie bitte?« War das ein einheimischer Gruß?
    Vikrama lächelte. »Das ist es, was ich mache. Kalarippayat.«
    »Und was ist das?«
    »Eine Kampfkunst. Ich übe sie jeden Abend mit ein paar Freunden. Der Mediziner im Pflückerdorf ist der Gurukal, der Meister. Ich bin einer seiner Schüler.«
    »Und was macht man bei dieser Kampfkunst?«, fragte Grace atemlos. Wenn sie hinter dem freundlichen und korrekten Vorarbeiter auch alles vermutet hatte – es war sicher kein Kämpfer.
    »Wir kämpfen mit Schwertern und Schilden oder auch nur mit unseren Händen und Füßen. Eigentlich ist es mehr ein Tanz als blindes Draufhauen. Wenn wir üben, kämpfen wir mit unserem Gegner, nicht gegen ihn.«
    Grace versuchte, sich vorzustellen, wie das aussah. Trugen alle Männer dabei solche Kleidung wie Vikrama? Welches Geräusch machten die Schwerter?

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