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Die Schmetterlingsinsel

Die Schmetterlingsinsel

Titel: Die Schmetterlingsinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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dem Tisch ein Mädchen ins Auge. Ganz offensichtlich gehörte die Kleine nicht hierher. In einem unbemerkten Augenblick musste sie sich reingeschlichen haben, und nun war sie gefangen unter dem dunklen Tisch.
    Das schien sie nicht sonderlich zu bekümmern, denn sie hatte sich ein paar Früchte vom Tisch stibitzt.
    Als das Kind ihren Blick jedoch bemerkte, erstarrte es und wurde bleich. Die Frucht verschwand zwischen den Fingern. Wahrscheinlich hätte Mr Wilkes ihm gehörig an den Ohren gezogen, wenn er den Diebstahl bemerkt hätte, doch Grace lächelte dem Kind zu. Miss Giles hätte natürlich empört eingewendet, dass es der Erziehung eines Kindes nicht zuträglich sei, wenn man ihm einen Diebstahl nachsah, doch das Mädchen sah mit ihren großen dunklen Augen und den zarten Wangen, an denen Spuren von Fruchtsaft klebten, so anrührend aus, dass sie es nicht übers Herz brachte, sie zu ver­raten.
    Nach einer Weile lösten sich die Züge der Kleinen wieder, dann blickte sie sich ängstlich nach der Hintertür um, die nur angelehnt war und durch die sie gekommen sein musste.
    Auf einmal wusste Grace, was sie tun konnte. Sie löste sich von dem Türrahmen und trat in die Küche.
    »Guten Morgen, Mr Wilkes!«
    Augenblicklich richteten sich alle Blicke auf sie. Die Dienstmädchen machten große Augen, die Köchin schnitt sich um ein Haar in den Finger, und Mr Wilkes legte rasch das Besteck weg.
    »Guten Morgen, Miss Grace!« Der Butler straffte sich und bedeutete den Hausmädchen und der Köchin, dass sie sich aufstellen sollten. »Verzeihen Sie, dass ich Sie nicht eher bemerkt habe.«
    Genau in dem Augenblick, als alle Anwesenden außer Grace ihr den Rücken zudrehten, suchte die kleine Diebin das Weite. Grace verbarg ihr Lächeln und sagte: »Ich bin eigentlich nur gekommen, weil ich mal sehen wollte, wie weit die Arbeit in der Küche ist.«
    »Ihre Frau Mutter schickt Sie, verstehe.«
    Grace ließ ihn in dem Glauben. Die Tatsache, dass sie sich von allein für die Vorgänge hier unten interessierte, hätte ihn nur aus seinem Gleichgewicht gebracht.
    »Die Vorbereitungen sind in vollem Gange, und ich kann Ihnen versichern, dass alles zur Zufriedenheit von Madam Tremayne laufen wird. Wir sind uns natürlich der großen Verantwortung bewusst, die auf uns liegt, und jeder von uns«, sein Blick wanderte zu den Küchenhilfen, die vorhin noch Schelte bezogen hatten, »wird sein Bestes geben, um den Ansprüchen der Familie Tremayne gerecht zu werden.«
    »Meine Mutter wird sich bestimmt sehr freuen, das zu ­hören, Mr Wilkes. Fahren Sie ruhig mit Ihrer Arbeit fort und … wenn Sie so freundlich wären, mir ein wenig Eistee einzuschenken?«
    Eine Stunde später war es so weit, dass die umgestalteten Kleider anprobiert werden konnten. Angesichts ihres Spiegelbildes – obwohl das blau-weiß gestreifte Kleid wirklich sehr schön aussah – überkam Grace ein wenig Traurigkeit. Da hatte sie den Debütantinnen-Ball beinahe vergessen gehabt, und nun wurde sie durch die Schneiderarbeiten wieder daran erinnert. Vor ein paar Tagen hatte sie Miss Giles beim Tratschen mit Mr Norris belauscht.
    »Es ist eine Schande, dass die junge Miss nicht vorgestellt wird«, hatte die Gouvernante seufzend bemerkt, worauf Mr Norris geantwortet hatte: »Auf dem Weg hierher habe ich dermaßen viele Herrenhäuser und Plantagen gesehen, dass sich sicher auf einer von ihnen ein Ehemann für Miss Grace findet.«
    Die ungute Ahnung, dass dieser Ehemann aus der Stockton-Familie kommen würde, ließ Graces Magen zusammenkrampfen, als sie über den hellblauen Stoff strich, der mit einigen neuen Schleifen und Bändern sowie Spitze aus Colombo verziert war.
    »Nun, was sagen Sie, Miss Grace?« Miss Giles stand mit erwartungsvollem Blick neben ihr, wie ein Maler, der auf gute Kritik von seinem Mäzen hofft.
    »Es ist sehr schön geworden«, antwortete Grace pflichtschuldig, denn sie wusste, dass man aus einem Esel kein Prachtross machen konnte. Aber vor den Stocktons – wenn sie denn dem Hausherrn glichen – würde sie sich damit auf keinen Fall blamieren.
    »Vielleicht hätten wir eines von den Gewändern der Frauen hier tragen sollen«, meldete sich Victoria aus der anderen Ecke des Raumes zu Wort. »Sie kratzen sicher weniger als die Spitze an meinem Ausschnitt.«
    »Kommt gar nicht in Frage!« Claudia war an der Tür erschienen, um die Kleider ihrer Töchter zu begutachten. Sie selbst würde auch ein ausgebessertes Kleid tragen, das allerdings bereits

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